In Österreich geben die Gäste weniger Geld aus Ist in einer angespannten Zeit wie der Wirtschaftskrise an Entspannung noch zu denken? Denn eines steht fest: Auch im Wellnessbereich ist die Krise ein Thema. Die Gäste werden sparsamer. Sie gönnen sich zwar nach wie vor einen Wellnessurlaub, halten sich jedoch bei den Zusatzausgaben deutlich zurück. Dennoch: Wenn auch mehrheitlich die Umsätze stagnieren, ein Drittel der Wellness-Anbieter meldet sogar Zuwächse. Der Direktor des Steirerhofs, Werner Unterweger, erfreute sich im Jahr 2011 bester Umsätze, bemerkt jedoch „eine gewisse Verunsicherung, Sensibilität und Zurückhaltung der Gäste. Der Gast fragt: Was brauche ich wirklich, wann brauche ich es und wie lange brauche ich es?“
Qualität und nachhaltiger Nutzen werden immer wichtiger
Die Gäste wollen nur mehr Angebote und Produkte kaufen, wenn sie auch einen nachhaltigen Nutzen davon haben. Da sie immer mündiger werden und gut informiert sind, prüfen sie Angebote und Produkte. Deshalb hat der Steirerhof sein ganzes Programm im Spa-Bereich durchforstet, um sich auf Angebote zu konzentrieren, die einen therapeutisch-medizinischen Tiefgang haben. „Modeerscheinungen wie ‚Streicheleinheiten‘ in einer Spa-Suite um 150 Euro werden deutlich schwieriger.“ Diese Entwicklung wird sich zuspitzen, die Frage nach Qualität und Betreuung immer wichtiger. „2012 erwarte ich als ein sehr schwieriges Jahr“, prognostiziert der Direktor vom Steirerhof. Laut Unterweger verursacht die Wirtschaftskrise zwei Reaktionen: eine falsche und eine richtige. Die falsche Reaktion: die Nerven verlieren und einen Zickzackkurs fahren. Die richtige Reaktion: Ruhig bleiben und analysieren, worin man wirklich gut ist.
Investieren statt Sparmaßnahmen
Wer meint, beim Gast sparen zu müssen, bei dem geht der Schuss nach hinten los. In Zeiten der Krise geht es vielmehr darum, gut und sinnvoll zu investieren. Bei den Best Wellness Hotels beispielsweise sind die Investitionen trotz Wirtschaftskrise gleich geblieben: Durchschnittlich 1 Million Euro pro Jahr pro Hotel. Die klugen Wellnesshoteliers haben diesbezüglich von der Krise profitiert, weil sie in den letzten Jahren um 20 bis 30 Prozent günstiger investieren konnten.
Klares Profil und Erfassung der Bedürfnisse
Das Rogner Bad Blumau hat sich in Krisenzeiten für eine noch klarere Positionierung am Markt entschieden und spricht die Zielgruppe „Paare“ an, die auf der Suche nach Ruhe, Geborgenheit und Entspannung sind. Die Direktorin Melanie Franke begründet: „Diese Bedürfnisse gewinnen gerade in unstabilen Zeiten an großer Wertschätzung. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken in der Qualität und halten dadurch die Marktanteile.“ Deshalb blieb das Rogner Bad Blumau im Jahr 2011 erfolgreich: „Die Anzahl der Gäste blieb gleich, jedoch konnte die Aufenthaltsdauer nicht gesteigert werden. Im Durchschnitt verbringen unsere Gäste 2,5 Tage bei uns.“
Prof. Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT), plädiert für eine Bedürfniserfassung. Bloß Gästebefragungen zu machen, ist nicht repräsentativ. Derzeit stecke die Bedürfniserfassung noch in den Kinderschuhen, sei noch zu wenig von der Marktforschung und den Gästebefragungen getrennt. Zellmann empfiehlt, die Bedürfnisse der Gäste „per viam negationis“ zu ermitteln: Wer ist warum nicht mein Kunde? Es reiche nicht, „wenn Hotels ihre Gäste befragen, von denen klarerweise 95 Prozent zufrieden sind“. Zellmanns Prognose: „In den nächsten Jahren kann man sich das Wachstum abschminken. Im Großen und Ganzen ist der Wellness-Markt gesättigt. Wenn Umsatz und Marktbeteiligung gehalten werden, dann macht man es toll.“
Mündige Gäste wollen beraten werden
Für Zellmann hat der Wellnessbereich im Sinne ganzheitlicher Lebensentwürfe eine große Zukunft vor sich, er sieht jedoch noch Defizite im Bereich persönlicher Betreuung der Gäste durch Fachleute. Für Karin Niederer, Senior Beraterin und Trainerin von Kohl & Partner Tourismusberatung, ist in der Bedürfnisanalyse ein Potenzial, das noch auszuschöpfen ist. Die alle zwei Jahre herauskommende internationale Coyle-Studie besagt, dass weltweit 84 Prozent aller Gäste Beratung über das Produkt wollen, mit dem sie behandelt werden. Wie sieht es da in Österreich aus? Niederer: „Das ist noch immer eine permanente Baustelle.“ Auch für die Best Wellness Hotels wird das Thema Beratung immer wichtiger: Da gibt es ein 30-minütiges Eingangsgespräch mit einem Therapeuten, wo genau festgestellt wird, was der Gast braucht, die Ergebnisse und Erfolge werden in einer Kartei erfasst. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Offensives Inhouse-Marketing
Die Betriebe sollten mit ihren Angeboten nicht hinterm Berg halten. Laut Niederer darf ein Betrieb nicht davor zurückscheuen, an den Gast, den er schon im Hause hat, heranzutreten. Gerade die Krise sollte im Spa-Bereich dazu anspornen, nach dem Motto zu verfahren: „Wenn wir nicht so viele Gäste im Haus haben, dann wollen wir denen, die schon da sind, aktiv unsere Produkte verkaufen und unsere Betreuung intensivieren.“ Die Betriebe, die das erkannt haben, hatten das bessere Ergebnis. Die anderen Betriebe, die eine Vogel-Strauß-Taktik verfolgten, blieben zurück. Niederer: „Das Verstärken von Inhouse-Marketing, der Vermarktung und Schulung der Mitarbeiter, hat sich sehr positiv ausgewirkt. Wenn sich der Gast schon 1000 Euro für einen Aufenthalt leisten kann, dann auch noch 300 für eine Massage. Deshalb hat es auch Zuwächse gegeben.“ Niederer empfiehlt, nicht nur operativ zu denken, sondern auch strategisch gut vorbereitet zu sein: „Betriebe, die strategisch gut aufgestellt waren, sind besser herausgekommen. Jede Krise ist auch eine Chance.“ Welche Chance? – Sich verstärkt Gedanken über das Produkt zu machen.
Entwicklungen in Deutschland und der Schweiz
Für Karl Nitsche, Geschäftsführer des Hotels Helvetia in Lindau, hat sich der Leistungsdruck in den letzten Jahren vervielfacht. Nach zwei großen Investitionswellen in den letzten zehn Jahren gehe es nun um die kontinuierliche Individualisierung der Gästebedürfnisse und um Spezialisierung des Angebots. Indes: Die Verweildauer der Gäste sinkt kontinuierlich. Für das Hotel Helvetia, dessen Kernsegment aus Süddeutschland und der Schweiz kommt, ist der Leistungswettbewerb extrem hart. Die Konkurrenz ist da vor allem in Tirol beheimatet. „Die Österreicher toppen permanent die Benchmark“, so Nietsche. Die Themen der Zukunft: Intimität und Partneranwendungen. Was ebenfalls wichtig wird: Die Mitarbeiter aufbauen und Wohnräume schaffen, um sie an das Haus zu binden.
Für Heike Schmid, Direktorin und Marketingleiterin im Lenkerhof Alpine Resort, ist und wird das Jahr 2012 nicht leicht. Seit 2011 muss sie einen Rückgang der Belegung verzeichnen, die Buchungen werden kurzfristiger und die Aufenthaltsdauer, die unter drei Tagen liegt, wird kürzer. „Die Herausforderungen werden größer“, resümiert Schmid, lässt sich aber von der schwierigen Entwicklung nicht einschüchtern. „Wir schulen unsere Mitarbeiter im Verkauf, wollen auf den Gast noch mehr eingehen, kreieren neue Packages und investieren weiter.“ Der Lenkerhof, der zu fast 90 Prozent Schweizer Gäste beherbergt, will die Gäste noch feinfühliger betreuen als bisher und setzt auf Überraschungsmomente auch in den spezifischen Treatments. Möglicherweise ein Grund, dass trotz Wirtschaftskrise im Haus mehr konsumiert wird als in den Jahren zuvor.
Dr. Werner Molik, Direktor des Strandhotels Heringsdorf auf Usedom, setzt trotz Umsatzrückgängen auf beträchtliche Investitionen im Bereich Wellness – und das seit zwei Jahren. Er möchte seine Wellnessangebote zunehmend kostenlos anbieten und vertraut hierbei einem nüchternen Pragmatismus. „Keine verschrobenen Ideen, sondern Wirtschaftlichkeit. Wir wollen den gesunden Gast und nicht den verrückten Gast“, so Molik.
Andreas Deimann, Geschäftsführer des Romantik- und Wellnesshotels Deimann im Sauerland, ortet Verschiebungen und Verlagerungen im Zuge der Wirtschaftskrise. Während der Ansturm auf Kosmetik und Damenwellness deutlich zurückgeht (von ehemals 80 auf jetzt 55 Prozent), entdecken zunehmend die Herren die Wellness für sich – und da jene meist nicht alleine kommen, stimmt Deimann die Behandlungsräume immer mehr auf Paare ab. Auch die nachhaltig gesundheitsförderliche Wellness entwickelt sich – jedoch eher langsam. Wenn das Wachstum auch schleppend dahingeht, Zuwächse verzeichnet Deichmann seit 10 bis 15 Jahren: „Weil wir uns auf Individualgäste ausrichten und unabhängig von Businesspartnern sind.“
©WELLNESS WORLD Business 2/2012