Medical SPA hat die Kraft, den Tourismusmarkt ordentlich aufzumischen. Ein Indiz dafür sind die demografischen Entwicklungen. Im Jahr 2020 wird sich jeder vierte Österreicher in der Kategorie 60+ wiederfinden. Die Zahl der Kinder nimmt ab, sodass Menschen mehr Zeit und auch mehr Geld zur Verfügung haben. Die staatlichen Gesundheitssysteme geraten zusehends in Bedrängnis, der Leistungsdruck für den Einzelnen steigt, die stressindizierten Krankheitsbilder nehmen zu. Gleichzeitig prägt die Verantwortung für den eigenen Körper die Gesellschaft. So zeigen sich Konsumenten zusehends bereit, in Prävention und Leistungssteigerung zu investieren. Sie wollen dabei allerdings nicht als „krank“ gelten und sich für den Gesundheitscheck in ein Spital legen. Ein solches Verhalten bringt das Konzept von Medical Spa ins Spiel. Medizin, Prävention und Heilung sollen ganz ohne weiße Kittel, den Geruch von Krankenhaus oder gar der Krankenhausküche auskommen – sondern in gehobener Wellness- und Hotelatmosphäre stattfinden. Der Arzt im touristischen Betrieb wird dem zunehmend kritischen Gast ein Garant für ein medizinisch fundiertes, individuell abgestimmtes Wohlfühlangebot mit gesundheitsfördernder Wirkung. Bei einem Aufenthalt von mindestens einer, bisweilen zwei bis drei Wochen erwarten sich die Gäste eine Verbesserung des Wohlfühlens, nachhaltige Entspannung und Empfehlungen für eine gesundheitsbewusste Lebensführung.
Menschen mit hohen Gesundheitsambitionen. Klientel für Medical Spa sind – anders als bei den klassischen Wellness-, Verwöhn- und Beauty-Kurzurlauben – Männer wie Frauen, ältere wie jüngere Menschen gleichsam. Es ist bekannt, dass der informierte Gast oft ein breiteres Bewusstsein und Wissen über die Wirkung und Anwendung von Medical Spa hat als der klassische Hotelier. Andreas Wieser, Gründer des Lanserhofes bei Innsbruck: „Der Gast stellt sich die Frage, welchen momentanen und vor allem nachhaltigen Effekt die Anwendungen haben. Der mündige Klient und auch Patient erwartet klar strukturierte, medizinische und komplementärmedizinische Konzepte und sicher keine Alibi-Angebote.“ Die Medical-Spa-Themen der Zukunft sind für Wieser die Prävention, Behandlungen von Stoffwechselentgleisungen, vitales Altern, Depression, der seelische Aufbau und die mentale Wachsamkeit, Über- und Untergewicht sowie die Weckung des Körperbewusstseins.
Betriebe auf der Suche nach ihrer Positionierung. Immer mehr Häuser trachten danach, ihr Angebotsspektrum um ein Medical-Spa-Konzept zu erweitern. Parallel dazu ist es nötig, bei den Klienten die Aufmerksamkeit, das Interesse und den Wunsch nach einem Medical-Spa-Angebot zu wecken. Das steigende Gesundheitsbewusstsein und eine Fülle bereits erstellter Marktanalysen lassen hier eine positive Entwicklung erwarten. Vorausgesetzt, die Grundlagen für eine erfolgreiche Umsetzung werden beherzigt, damit das, „was im Tourismus heute unter dem Schlagwort Medical Spa passiert, sich nicht zu einem bedauerlichen Irrtum entwickelt“, wie es Lutz Hertel, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wellness Verbandes e.V. ausdrückt. „Chancen werden all jene Maßnahmen und Konzepte haben, die auf eine Veränderung im Lifestyle abzielen und zu einer nachhaltigen Veränderung des Lebensstiles führen. Tenor ist, die gesunde Balance des Ichs zu finden“, schätzt Arne Mellert, Geschäftsführer der Wellness Stars GmbH, die Entwicklungslage im Medical Spa ein.
From Cure to Care. Die Weltgesundheitsbehörde WHO hat zum Umdenken von der Pathogenese (Kurieren von Krankheiten) zur Salutogenese (Sorgen für die Gesundheit) aufgerufen. „Ich denke, damit wurde ein richtiger Weg eingeschlagen“, meint Dr. Petra Stolba, Geschäftsführerin der Österreich Werbung. „Es wird eine deutliche Entwicklung vom reinen Wellnessangebot hin zu Medical Spa geben, also zu ganzheitlichen Gesundheitskonzepten. Wir erleben eine Strömung in Richtung Selfness, dem Bedürfnis nach Wellbeing im weiteren Sinn. Im Zentrum steht das langfristige Wohlbefinden“, so Stolba. Medical Spa wird und muss sich auch in Zukunft deutlich von den Maßnahmen klinischer Anschlussbehandlungen abgrenzen. Im Vordergrund bei Medical Spa steht die Prävention, die in Zusammenhang mit den Vorzügen eines komfortablen Hotelaufenthaltes zu sehen ist. Die Grenzen zwischen Medizin und Wellness werden fließend. Andreas Wieser zeigt sich derzeit weder mit der Begrifflichkeit noch mit der Positionierung von Medical Spa zufrieden: „Medical Spa erscheint derzeit noch ähnlich undifferenziert wie Wellness oder Wellness Care. Reha-Kliniken rüsten einen Teil der nicht belegbaren Zimmer zu Hotelsuiten um, Hotels erweitern ihr Wellnessangebot in Zusammenarbeit mit medizinischen Einrichtungen. Traditionelle Kurorte bezeichnen klassische Kurleistungen als Medical Spa, um neue Zielgruppen anzusprechen. Die auseinanderklaffende Entwicklung von Angebot und Nachfrage führt in den Heilbädern und Kurorten vor allem zu einem Absinken der Bettenauslastung.“ Eine ähnliche Sichtweise verfolgt auch Arne Mellert: „Der kurative und rehabilitative Bereich gehört zur Sekundär- und Tertiärprävention. Im Medical-Spa-Segment sind eigenständige Therapien zu entwickeln, die einen hohen Anteil an ärztlichen und medizinisch-therapeutischen Leistungen enthalten. Dieses Angebot muss der Gast auch zahlen. Der Betreuungsaufwand für den Gast steigt. Das wiederum stellt wesentlich höhere Anforderungen an die Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter.“ Der Begriff Medical Spa ist noch lange kein Garant für hochwertige Behandlungen, die auf medizinischer Kompetenz beruhen. Dennoch bietet Medical Spa dem Hotel- und Spabetreiber eine aussichtsreiche Erfolgschance, sofern er sein Konzept medizinisch fundiert und in der Vermarktung klassische und alternative Vertriebswege kombiniert. Gerade bei Medical Spa gilt das Sprichwort „Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“. Anwendungen im Medical-Spa-Bereich sollen nach Möglichkeit in der Nähe des Wohnortes in Anspruch genommen werden. Denn therapeutische Wirkung benötigt vor allem eines: Zeit.
Authentischer Bezug zur Region
"Österreich bietet mit seiner Kombination aus Natur, Kulinarik und empathischen Gastgebern das optimale Umfeld, um die Energie eines Österreichurlaubes dauerhaft mit in den Alltag zu nehmen. Erfolg werden jene touristischen Angebote haben, die nicht an der Oberfläche bleiben, sondern nachweislich gesundheitsfördernde Aspekte im ganzheitlichen Sinn anbieten. Derartige Gesundheitsangebote, die ihre Ressourcen aus der Region schöpfen, werden mit ihrem authentischen Bezug zum Gast punkten."
Dr. Petra Stolba, Geschäftsführerin Österreich Werbung
Tranzparenz der Leistungen
"Es braucht eine Transparenz in allen angebotenen Leistungen im Medical Spa. Auch braucht es einheitliche Kriterien für die Vergleichbarkeit von Leistungen, Einrichtungen und Angeboten. Als Grundlage dafür dienen Quality Management Standards. Zudem ist es erforderlich, den Mehrwert und den Nutzen der Medical-Spa-Angebote gegenüber dem Kunden noch stärker in den Vordergrund zu stellen. Gelingt dies nicht, könnte Medical Spa scheitern."
Arne Mellert, Geschäftsführer Wellness Stars GmbH
Interdisziplinäres Arbeiten im Team
"In einem Medical-Spa-Betrieb wird fachliche Kompetenz vorausgesetzt. Ein Muss ist ein interdisziplinär zusammenarbeitendes, begeistertes Therapeuten- und Hospitality-Team, Forschung- und Entwicklungsarbeit, ein psychologisch fundiertes Coachingangebot sowie ein großes Netzwerk externer Fachärzte. Auch die Gastronomie muss Teil des Medical-Spa-Konzepts sein."
Prof. Andreas Wieser, Gründer von Lanserhof und Lansmed, ehem. Geschäftsführer Lanserhof GmbH
WELLNESS WORLD Business, Ausgabe 1/12