Ziel dieses Projekts ist es, Wissen und Know-how zu bündeln und dadurch ein kompetentes und innovatives Netzwerk zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Alpenraums als Gesundheits- und Wellnessdestination zu stärken. Diese interdisziplinäre Plattform vernetzt unterschiedliche Gebiete wie Gesundheit und Tourismus miteinander, um so die Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Daraus sollen hochwertige Leistungsangebote und Produkte für die Gäste und die Dienstleistungsunternehmen entwickelt werden. Die Koordination übernahm die Autonome Provinz Bozen, Ressort für Gesundheit und Sozialwesen, vertreten durch Dr. Florian Zerzer; sechs weitere Partner sind mit an Bord.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch ein Impulsreferat zu den Trends im Gesundheits- und Alpintourismus von Heinz Schletter. Danach gab es eine prominent besetzte Podiumsdiskussion, die den Startschuss zu einer interessanten Konferenz gab.
Schletterer spannte einen Bogen über die letzten 20 Jahre Entwicklungsgeschichte des Wellnessbooms. Der Gesundheitsmarkt unterliegt natürlicherweise einem ständigen Veränderungsprozess, der sich in den nächsten Jahren weiter beschleunigen wird. Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Globalisierung, der internationale Wettbewerb. Die großen Fragen sind daher: Wie wirkt sich das auf unsere Gäste aus? Und welche Chancen ergeben sich für den heimischen Tourismus durch das Thema Gesundheit?
Nach Wellnessexperte Schletterer ist daher der Fokus auf die Qualität der Wellnessanlagen zu legen. ?Der Qualitätsanspruch der Kunden ist enorm gestiegen. Dabei werden die Bedürfnisse der Menschen immer selektiver. Die Chance für die Tourismusunternehmen liegt in einer weiteren Spezialisierung und andererseits in der individuellen Gestaltung des Angebots?, so Schletterer. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Alleinstellungsmerkmal, aber auch die Emotion oder Überraschung bzw. Abwechslung, die dem Gast geboten werden. Der alpine Raum wird jedoch in Zukunft einem härteren Konkurrenzkampf ausgesetzt sein. Eines werden aber alle zukünftigen Zielgruppen sicher gemeinsam haben: Sie möchten aus dem Alltag ausbrechen, etwas Neues erleben. Ein Asset des Alpinen Tourismus ist dabei auch die unmittelbare Verbindung von Natur und Wellness, die für den Gast einen hohen Nutzfaktor ergibt. Die Chancen für den Alpinen Tourismus fasst Schletterer in drei Punkten zusammen: Da sind die neuen Märkte, die es zu obern gilt, die Spezialisierung auf authentische und einzigartige Angebote und last, but not least die Qualität im Service, in der Organisation wie auch in der Hardware.
Neue Produkte, neue Services
Eine dieser neuen Entwicklungen ist für Schletterer das Thema Medical Spa, wobei der Ansatz der ist, die medizinische Betreuung von Fachärzten und Spezialisten mit Wellnessangeboten zu verbinden. Jedoch steht hinter jeder erfolgreichen Spezialisierung letztendlich auch die Freude und Begeisterung, die sich vom Personal auf den Gast überträgt.
Auch am zweiten Tag des Kongresses ging es um Produkte, besser Produktentwicklung und Innovation. Um neue Ideen in Produkte zu verwandeln, ist es erst mal notwendig, den Begriff Innovation zu klären. Frau Birgit Pikkemaat vom ICRET definierte in ihrem Vortrag ?Innovationen im Tourismus? den Innovationsbegriff unter anderem durch Schumpeter. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter (1883?1950), der den Begriff des ?schöpferischen Unternehmers? prägte, definierte Innovation mit der Weiterentwicklung des Markts durch neue Kombinationen von Produkten und Ideen. Das heißt, es genügt, die Dinge neu zu ordnen, um einen anderen, neuen Zugang zu haben. Auch alte Traditionen mit neuen Ideen zu kombinieren reicht aus, um ein innovatives Produkt zu kreieren. Oft sind es die Kundenwünsche, der Wettbewerb oder sich abzeichnende Trends, die Innovationen auslösen, trotz der vielen hemmenden Faktoren, die tagtäglich auf die Menschen in den Tourismusbetrieben einwirken. Nach den letzten Untersuchungen zeigt sich auch deutlich, dass Destinationen, Tourismusverbände oder kooperative Gruppen viel innovativer sind als Einzelunternehmer.
Anschließend ging es zur Analyse des Gastes. Christian Laesser von der Universität St. Gallen verwendet den Begriff des ?neuen Touristen?: der aufgrund der Motivforschung und den daraus gewonnenen Erkenntnissen deutlich differenzierter betrachtete Wellnesstourist. Die daraus abgeleiteten Bedürfnisse eines Gastes können daher in spezifische Angebote gegossen werden. Die Trends ergeben seiner Meinung nach sieben Angebotskategorien, wie Cocooning, Clanning, Fantasy-Abenteuer, Genuss, Individualität, Zeitknappheit und Gesundheit. Laesser zieht aber eine klare Trennlinie zwischen Gesundheitstourismus und Wellnessurlaub. Während der Gesundheitstourismus sich mit medizinischen Programmen befasst, geht es bei Wellness mehr um lustbetonte Angebote, die weniger auf Einzelziele ausgerichtet sind.
Beeindruckend war nach den theoretischen Ausführungen der Vortrag aus der Praxis von Roland Huber, dem Direktor von Adelboden Tourismus. Denn unter ungeheurer Anstrengung wurde eine Transformation des Tourismusprozesses in einen Standortprozess vollzogen. Das heißt: Wie begeistere ich die Menschen einer Region für ein neues Tourismusprodukt, das ?Alpine Wellness? heißt und starke Veränderungen nach Adelboden, in eine sehr traditionbewusste und konservative Gegend, brachte. Erfolgreich kann so ein Vorhaben nur dann sein, wenn alle verstehen, worum es geht, und dann auch authentisch und mit Freude diese Idee umsetzen. Aufgrund der vielen Einzigartigkeiten, die Adelboden bietet, wurde die Vision ?Alpenbad Adelboden? entworfen. Damit wurde ein aufwendiger, aber auch aufregender Prozess in Gang gebracht, der zu vielen Diskussionsrunden und Projekten mit der Bevölkerung, Beratern und letztlich auch Investoren führte. Am Ende dieses Prozesses stand eine klare Strategie, die jeder verstand und auch vertreten konnte. Es gibt jetzt eine klare Positionierung in Richtung Skitourismus und zweiten Standbein ?Alpine Wellness?.
Um dieses Konzept auch in die Tat umzusetzen, wurde bereits mit der Planung des ?Alpenbad Adelboden? begonnen; und was noch erfreulicher ist: Es wurde bereits ein Investor aus Dubai für dieses ca. 100 Mio. Euro schwere Projekt gefunden. Betreiber, und das betonte Huber immer wieder, bleibt jedoch die regionale Projektgesellschaft. Damit will sich der Ort Adelboden als führende Destination, wenn es um Ferien- und Ausflugs-Kernkompetenzen im Sommer und Winter geht, positionieren.
Neue Gesundheitsparadigmen
Worum es im Kern bei dem Projekt ?Alpshealthcomp? geht, brachte Florian Zerzer, Ressortdirektor der Autonomen Provinz Bozen, Ressort für Gesundheit und Sozialwesen, auf den Punkt: nämlich um ?Gesundheitstourismus?. Er hinterfragte auch gleich den heute noch gültigen Gesundheitsbegriff, der sich mehr mit Prävention als mit aktiver Gesundheitsförderung beschäftigt. Er kam zur Konklusion, dass soziale Maßnahmen mehr die Gesundheit gefördert haben als Gesundheitsmaßnahmen. Gerade deshalb hält er die interdisziplinäre Plattform ?Alpshealthcomp? für einen sehr wichtigen Beitrag Gesundheitsförderung konkret in die Tat umzusetzen.
Zerzer thematisierte das Wo und Wie der Entstehung von Gesundheit und zitierte dazu die Ottawa-Charta der WHO von 1986: ?Gesundheit wird von den Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt, dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.? Und vielleicht noch wesentlicher ?Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich für sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.?
Neue Studie
Abschließend präsentierte Thomas Bausch von der Universität München Studienergebnisse einer Befragung, die in Deutschland und Italien durchgeführt wurde und abklären sollte, was die potenziellen Gäste überhaupt mit dem Begriff ?Alpine Wellness? assoziieren. Die repräsentative Befragung für Deutschland, Nord- und Mittelitalien förderte Erstaunliches zu Tage. Zum Beispiel haben zwei Drittel der befragten Deutschen in den letzten fünf Jahren überhaupt keinen Urlaub in den Alpen verbracht; hingegen haben 70% der Italiener mindestens eine Kurzreise gemacht. Oder auch die Erfahrungen mit Gesundheits- und Wellnessurlaub sind bei den Italienern deutlich größer.
Auch die Altersstruktur ist interessant und überraschend. Die Italiener, die Gesundheitsurlaube buchen, sind deutlich jünger als die deutschen Urlauber. Während für den Touristen aus Deutschland die Alpen etwas ?Besonderes? sind, sind sie für die Italiener ganz ?normal?. In Deutschland assoziiert man mit Gebirge auch hauptsächlich Winterurlaub. Für die deutschen Nachbarn ist auch ein aktiver Urlaub mit Anleitung zu sportlicher Betätigung, mit Baden und Sauna wichtig, nicht aber für die Italiener, die freundliches Personal und gutes Service bevorzugen, und da im Besonderen regionaltypische Anwendungen. Bausch hat aus den Ergebnissen der Befragung die Personen typologisch eingeteilt: in den Studio-Typ, den Massage-Typ, den Traditionalisten, den Sauna-Typ, den Genießer und den Skeptiker.
Resümee
Bauschs Schlussfolgerungen lauten:
- Eine starke Betonung regionaltypischer Komponenten ist für den italienischen Markt Voraussetzung, für den deutschen Markt nicht schädlich.
- Der Faktor der ?Geselligkeit?, in Verbindung mit ?Freundlichkeit & Servicequalität?, spielt für italienische Gäste eine große Rolle und muss sich durch entsprechende Komponenten im Produkt wiederfinden.
- Die ausschließliche Bereitstellung von Hardware funktioniert nicht ? im Zentrum der Kundenwünsche stehen die Dienstleistungen.
Seine Empfehlung für die Marketingprofis: auf dem deutschen Markt die Alpen als Ganzjahresdestination viel klarer kommunizieren, und auf dem italienischen Markt sind der Schlüssel die Erholungs- und Genussfaktoren.