Yoga ist das älteste bekannte Persönlichkeitsentwicklungs- und Heilsystem. Durch Yoga-Praxis erhält der Organismus seine Vitalität und Gesundheit. Klassisches Yoga wird als eine der sechs philosophischen Haupt-Yogazweige des hinduistischen Indiens betrachtet. Mit der Zeit haben sich verschiedene Erkenntnisarten der absoluten Realität entwickelt und daraus haben sich unterschiedliche Yoga - Wege heraus kristallisiert. Es gibt viele verschiedene Formen von Yoga, oft mit einer eigenen Philosophie und Praxis. In Westeuropa und Nordamerika denkt man bei dem Begriff Yoga oft nur an körperliche Übungen, die Asanas oder Yogasanas.
Einige meditative Formen von Yoga legen ihren Schwerpunkt auf die geistige Konzentration, andere mehr auf körperliche Übungen und Positionen (die Asanas) und Atemübungen (Pranayamas), einige Richtungen betonen die Askese. Die philosophischen Grundlagen des Yoga wurden vor allem von Pataniali im Yoga-Sutra formuliert, auch die Bhagavad Gita und die Upanishaden informieren über Yoga.
Geschichte des Yoga
Bereits die älteren Upanishaden ca. 700 v. Chr. beschreiben Atemübungen und das Zurückziehen der Sinne als Hilfsmittel der Meditation.
Die mittleren Upanishaden, die um 400 v. Chr. entstanden, erwähnen mehrfach den Begriff Yoga und auch die wesentlichen Elemente des späteren Yoga-Systems. Im Mahabharata (indisches Epos um ca. 300 v. Chr.) nimmt Yoga bereits einen bedeutenden Platz ein. Während im Mahabharata und in den älteren Puranas (wichtige Texte des Hinduismus) ?Kapila? und andere als Begründer des Yogas genannt werden, erscheint in jüngeren Puranas an dieser Stelle ?Patanjali?. Es darf jedoch angenommen werden, dass Patanjali die überlieferten Yoga-Lehren im 2. oder 4. Jahrhundert v. Chr. zusammenfasste. Sein Werk besteht aus 194 kurzen, auf vier Bücher verteilten Merksprüchen (Sutras).
Die klassischen indischen Schriften beschreiben 4 Yogawege: Raja Yoga, Jnana Yoga, Karma Yoga und Bhakti Yoga.
RAJA YOGA - Weg der Geisteskontrolle
Der Begriff Raja bedeutet soviel wie König oder Herrscher. Im Raja Yoga wird die Herrschaft über den Geist angestrebt. Dieses System aus Philosophie und praktischen Übungen wurde lange Zeit mündlich von Lehrer zu Schüler übermittelt. Patanjali selbst sprach in seinen Sutras noch nicht von den heute als "klassisch" geltenden vier Yogawegen ? Jnana, Raja, Bhakti und Karma Yoga ? sondern immer nur vom ?achtgliedrigen? Yoga (Ashtanga).
Diese acht Stufen oder ?acht Glieder? (Ashtanga), bauen aufeinander auf:
- Yama - die 5 Enthaltungen
- Niyama - die 5 Verhaltensregeln
- Asana - Zusammenführung von Körper und Geist durch Yoga-Asanas, wörtl. "ruhige (Körper-)Stellung"
- Pranayama - Zusammenführung von Körper und Geist durch die Atmung
- Pratyahara - das Zurückziehen der Sinne von der Außenwelt
- Dharana - Konzentration auf nur einen Gedanken
- Dhyana - Meditation, Kontemplation
- Samadhi - der überbewusste Zustand, ("Erleuchtung", "Selbstverwirklichung", "Vereinigung mit der Kraft des Ishvara", "Eins-Werden mit dem Pranava")
Die kombinierte gleichzeitige Ausübung der drei höheren Aspekte des Raja Yogas - Dharana (Konzentration), Dhyana (Versenkung) und Samadhi (Einheit, Erleuchtung) - wurde als Samyama bezeichnet.
KARMA YOGA - Weg des selbstlosen Tuns
Karma Yoga ist der 'Yoga der Tat' und bedeutet ein Handeln, ohne Anhaftung an seine Taten. Karma Yoga wird oft auch als Yoga des selbstlosen Dienstes verstanden.
Der Pfad der Werke strebt danach, jegliche menschliche Aktivität an den erhabenen Willen hinzugeben. Er beginnt mit der Absage an alle ichhaften Zwecke unserer Werke, an alles Unternehmen einer Handlung aus ichhaftem Interesse oder um eines weltlichen Resultats willen. Gelassenheit, Verzicht auf alles Verlangen nach der Frucht unseres Wirkens und ein Handeln, das als Opfer dem Erhabenen Herrn unserer Natur und der gesamten Natur dargebracht wird; das sind die drei grundlegenden Zugänge zu Gott auf dem Weg des Karma Yoga der Bhagavad Gita.
Der Yoga des Wirkens, das Einswerden mit Gott in unserem Willen und Wirken (nicht nur in unserem Wissen und Fühlen) ist ein unentbehrliches, unaussprechlich wichtiges Element eines inegralen Yogas.
(Aurobindo)
JNANA YOGA - Weg des Wissens
Jnana Yoga ist das Streben nach Erkenntnis der letzten Wahrheit, um Erlösung vom Kreislauf der Wiedergeburten zu erlangen. Nach hinduistischem Verständnis ist die Wurzel von allem Übel Avidya, das ?Nichtwissen?, und dieses wiederum die Ursache für die Wiedergeburt. Nicht theoretische Gelehrsamkeit und Anhäufung von Einzelwissen ist das Ziel, sondern Weisheit.
?Wer nicht erkennt, sondern nur vieles gehört hat, kann den Sinn der Schriften nicht verstehen, so,wie ein Löffel nichts vom Geschmack der Suppe weiß?
(Mahabharata II,55,1)
Nach der vorherrschenden hinduistischen Philosophie ist dieses Wissen stets vorhanden, es braucht nicht erworben, sondern nur enthüllt zu werden.
Im Idealfall unterteilt sich die Praxis eines Jnana-Yogis in drei - sich in Zyklen abwechselnde - Phasen:
- Shravana bedeutet Zuhören und meint Unterricht im Beisein eines Lehrers, der dem Schüler das wesentliche Verständnis auf individuelle Weise näher bringt.
- Manana bedeutet Reflexion und dient der Verinnerlichung des aufgenommenen Wissens.
- Nididhyasana bedeutet ernsthafte anhaltende Meditation. Das soll dem Schüler ein praktisches Verständnis geben und ihn zur Erkenntnis führen.
Das Vorgehen des Schülers, das zu seiner Erlösung führt, wird durch die ?vier Mittel der Erlösung?, die aufeinander aufbauen, beschrieben.
Viveka: Unterscheidung zwischen Realität ? das, was unveränderlich ist - und Illusion ? das, was vergänglich ist.
Vairagya: Abneigung gegenüber weltlichen Dingen (u.a. Überwindung niederer Triebe), Loslösung von dem, was als vergänglich erkannt wurde.
Shad-sampat: Die sechs Tugenden: Sama (Geisteskontrolle), Dama (Sinneskontrolle), Uparati (Entsagung von schädlichen Handlungen), Titiksha (Ausdauer), Shraddha (Glaube), Samadhana - (innere Sammlung, Eins-Gerichtetheit des Geistes) helfen dabei, Loslösung und Unterscheidung zu erreichen.
Mumukshutva: der intensive Wunsch zur Befreiung und Erkenntnis ist die treibende Kraft. Es ist der letzte Wunsch, der alle anderen Wünsche ersetzt, aber letztlich auch aufgegeben werden muss, um Befreiung zu erreichen.
Unter dem Gesichtspunkt des Jnana Yoga werden die anderen Wege als vorbereitend angesehen, da der Geist für die höchste Erkenntnis erst entsprechend gereinigt werden muss.
BHAKTI YOGA - Weg der Hingabe an Gott
Bhakti-Yoga ist im Hinduismus die Bezeichnung für den Weg der liebenden Hingabe an Gott, der meist als persönlich angesehen wird. Bhakti hat eine eigene, sehr detaillierte Ausformung erfahren und ist in allen Hauptrichtungen des Hinduismus, dem Vishnuismus, Shivaismus und Shaktismus zu finden. Dabei nutzt Bhakti Gefühle als einen Weg, Gott nahe zu kommen oder sich mit ihm zu vereinen. Meist setzt das eine dualistische Gottesvorstellung voraus, da man annimmt, dass Liebe ein Objekt benötige. Doch spielt Bhakti auch in der nichtdualistischen Advaita Philosophie eine Rolle, z. B. in der Hingabe an einen Guru, der als Verkörperung Gottes angesehen wird oder in der Form eines Ishta Devas, d.h. einer persönlichen Gottheit, die das Absolute zum Zwecke der Anbetung verkörpert .
Die Verehrung kann viele Formen annehmen, manche meinen so viele Formen wie es Menschen gibt. Einige traditionelle Ausdrucksformen des Bhakti sind:
Japa - Die Wiederholung göttlicher Namen oder Mantren in Gedanken oder in Worten.
Kirtana - Rhythmischer Wechselgesang ebensolcher göttlicher Namen und Mantras. Dabei singt ein Sänger oder auch der Guru das Mantra vor, und die Gemeinde singt nach. Das Ganze wiederholt sich mit variierender Melodie und Worten.
Bhajans - Das gemeinsame Singen religiöser Lieder. Inhalte solcher Lieder sind meist Gedichte von Heiligen.
Pujas - religiöse Zeremonie bei der vor einer Statue oder einem Bildnis der Gottheit (oder auch eines Gurus) symbolisch Artikel wie Früchte, Reis, Licht und eine Kokosnuss dargebracht werden. Die Puja besteht normalerweise aus einer Anrufung der Gottheit sowie Lobpreisungen. Sie kann aus einem Gemisch von Sanskrit und der lokalen Sprache bestehen.
Seva - Dienst an der Gottheit. Jede Tätigkeit kann als Dienst an der Gottheit verstanden werden und ihr innerlich dargebracht werden. Dabei sollte man gemäß der Bhagavad Gita nicht an den Früchten der Handlung haften und sich selbst nicht als den Handelnden sehen. Diese Einstellung wird auch Karma Yoga genannt.
Bedeutung von Yoga
Ursprünglich ist Yoga ein rein spiritueller Weg. Es geht vor allem um Erleuchtung durch Meditation. Die vielen Asanas entstanden erst im Laufe der Zeit. Ihr vorrangiges Ziel ist, den Körper so zu kräftigen und zu mobilisieren, dass er möglichst beschwerdefrei über einen längeren Zeitraum im Meditationssitz - z. B. Lotussitz - verweilen kann. Mit der Zeit erkannte man immer mehr die positive Wirkung der körperlichen Übungen auf das gesamte Wohlbefinden des Menschen. Die Asanas wurden weiter entwickelt und die körperliche Betätigung im Yoga bekommt in unserer Zeit einen immer höheren Stellenwert. Einen ersten Niederschlag findet diese Entwicklung in der Entstehung des Hatha Yoga.
HATHA YOGA
Hatha Yoga ist eine Form des Yoga, bei der das so genannte 'Gleichgewicht zwischen Körper und Geist' vor allem durch körperliche Übungen, "Asana", durch Atemübungen "Pranayama" und "Meditation" angestrebt wird. Hatha bedeutet Gewalt oder Kraft; damit soll die Anstrengung unterstrichen werden, die notwendig ist um das eigentliche Ziel zu erreichen. Hatha Yoga war anfänglich zur Unterstützung anderer Yoga-Formen konzipiert, erfreute sich jedoch rasch großer Beliebtheit und wurde schon bald als eigenständige Yoga-Form betrachtet. Wenn man heutzutage im westlichen Kulturkreis von Yoga spricht, so meint man meist Hatha Yoga.
Das Yoga-Konzept
Auch wenn die Wurzeln im Hinduismus liegen, wird Yoga von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen praktiziert. Obwohl die Motivation eigentlich darin besteht, spirituelle Ziele zu verfolgen bzw. zur Erleuchtung zu finden, gilt dies in Europa und Nordamerika nur bedingt.
Yogaübungen verfolgen heute zumeist einen ganzheitlichen Ansatz, der Körper und Geist und Seele in Einklang bringen soll. Vor allem in den westlichen Ländern wird Yoga häufig in Unterrichtseinheiten vermittelt. Eine solche kombiniert Asanas, Phasen der Tiefenentspannung, Atemübungen sowie Meditationsübungen. Die Ausübung der Asanas soll das Zusammenspiel von Körper, Geist, Seele und Atem verbessern. Angestrebt wird eine verbesserte Vitaltität und gleichzeitig eine Haltung der inneren Gelassenheit.
In der ursprünglichen Yogalehre ist Yoga ein Weg der Selbstvervollkommnung, zu dem unter anderem gehört, die Begierden zu zügeln und Methoden der Reinigung auszuüben. Der spirituelle Hintergrund des Yoga differiert bei verschiedenen Schulen erheblich, er entspringt verschiedenen Wurzeln im asiatischen Raum, und die Lehrmeinungen waren einer geschichtlichen Entwicklung unterworfen. Daher gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen über den Sinn von Yoga und unterschiedliche Herangehensweisen.
Nach einer traditionellen Auffassung, die vorwissenschaftliche und spirituelle Elemente vereinigt, soll Yoga durch die Kombination von Körperhaltungen, Bewegungsabläufen, inneren Konzentrationspunkten, Atemführung sowie dem Gebrauch von Mantras (Meditationsworten bzw. Klangsilben) und Mudras (Körperhaltungen in Verbindung mit Bandhas bzw. Handgesten/?Fingeryoga?) die Lebensenergie (Kundalini) stimulieren, so dass sie beginnt, durch die Sushumna innerhalb der feinstofflichen Wirbelsäule Chakren (Energiezentren) aufzusteigen.
Das Umsetzen physischer Energie beim Yoga ist einer der Gründe dafür, warum empfohlen wird, die Übungen nach Anleitungen qualifizierter Yogalehrer zu praktizieren.