SPA WORLD BUSINESS: Herr Gibson Sie haben eine neue Behandlungsmethode und Produkte eingeführt. Erzählen Sie uns etwas über die Philosophie und den Hintergrund der neuen Methode bzw. der Produkte.
Gibson: Wir haben unsere neue Produktlinie im Juni 2009 gestartet. Es geht um viel mehr als nur darum, einige Öle zu produzieren. Es geht darum, eine Marke zu kreieren, die die Philosophie von Mandarin Oriental reflektiert. Bis dahin haben wir Marken von anderen Firmen verwendet, und das werden wir auch weiterhin tun, aber wir wollten etwas Neues erschaffen, das unsere Philosophie reflektiert und unsere Kultur widerspiegelt. Wir sind Hoteliers, also liegt unser Fokus auf dem Gästeservice. Wir sind nicht Haut- und Haarspezialisten, wir überlassen die Entwicklung der Produkte den Experten. Als Hoteliers und Spa-Betreiber empfanden wir, dass Massagen ein Gebiet wäre, das wir verbessern könnten. Massagen sind die beliebteste Behandlungsmethode in allen Spas weltweit. Um es abzukürzen: Wir haben einfache Öle und Peelings entwickelt. Wir brachten chinesische Ärzte, ganzheitliche Therapeuten, unsere eigenen Trainer, sowie unsere eigenen Therapieexperten zusammen, um eine Behandlung zu entwickeln, die unsere Philosophie widerspiegelt, aber auch für unsere Gäste einen therapeutischen Nutzen hat.
SWB: Aber nicht auf medizinischer Basis?
Gibson: Möglicherweise schon. Wir behaupten nicht, medizinische Experten zu sein, aber alle Leute, die unsere Behandlungen bekommen, fühlen sich besser, wenn sie uns verlassen. Das beruht auf der Basis der Behandlung. Die Behandlung folgt einer Diagnose der Person. Zu Beginn fragt jeder: Was habe ich davon. Und diese Frage mussten wir beantworten. Wir wollen natürlich unsere Philosophie reflektieren, die orientalische Herkunft, natürliche Produkte, und alles, was Mandarin Oriental ausmacht. Deswegen haben wir die ganzheitlichen Therapeuten und die chinesischen Ärzte zusammengebracht. Einfach ausgedrückt, die Behandlung ist die Folge einer Diagnose mittels eines Fragebogens und einer körperlichen Untersuchung. Das wird kombiniert mit unserer eigenen Aromatherapie. Sie werden intuitiv einen der fünf Gerüche aussuchen, die die fünf chinesischen Elemente repräsentieren. Die gesamte Behandlung wird dann auf die Diagnose und das verwendete Öl maßgeschneidert. Nach der Behandlung fühlt man sich gut, aber man fährt ja wieder nach Hause. Also sind wir einen Schritt weitergegangen. Wir fragen uns Wie können wir die Therapie weiterführen und ihnen etwas geben, das zum Denken anregt. Wir verbanden die Meridian-Massage mit den Ernährungswissenschaften und geben dem Kunden eine Karte mit nach Hause, auf der steht, welche Ernährungsgruppe für sein Element empfehlenswert ist. Es sind auch einige Übungen dabei. Es sind einfache Übungen, die man innerhalb von fünf Minuten machen kann.
SWB: Wie soll es weitergehen? Welche Pläne haben sie?
Gibson: Hier kann ich ihnen drei Antworten geben. Die erste Antwort ist: Wo gehen wir hin mit unseren Produkten und unserer Philosophie. Je mehr Sinne wir positiv stimulieren können, umso prägender wird die Erfahrung, und der Gast wird uns zufrieden verlassen und anderen Leuten von uns erzählen. Die nächsten zwei Interessensgebiete beinhalten jedoch den Geruchs- und Hörsinn. Was Töne betrifft, verwenden wir asiatische Meditationsmusik. Ich habe unsere asiatische Musik während des Vortrages heute vorgespielt und man konnte sehen, wie die Zuhörer sich entspannten. Als Teil des Programms entwickeln wir Musik, die auf jede Behandlung abgestimmt ist. Sie ist speziell auf die jeweiligen Elemente ausgerichtet. Die Musik wird die Behandlung und die Entspannung verstärken. Wenn es sich um eine stimulierende Behandlung handelt, wird auch die Musik Sie entsprechen stimulieren. Bis etwa Mai/Juni 2010 wollen wir fünf CDs produzieren, die die Behandlungen noch weiter verstärken. Dann sehen wir uns den Geschmackssinn an. Wie schon erwähnt, geben wir den Kunden auch einen Ernährungsplan mit.
SWB: Welche globalen Gesundheits-Trends zeichnen sich Ihrer Meinung nach ab?
Gibson: Um auf die globalen Trends einzugehen, dazu denke ich, Menschen nehmen sich nicht die Zeit zu entspannen. In Österreich und Deutschland haben sich gute Wellnesscenter auch in den Bergen entwickelt. Die Leute haben da gute Luft und gutes Essen und investieren vorsorglich in ihre Gesundheit. Wir haben weltweit aber das Problem, dass Personen heutzutage eher Heilung für eine Krankheit suchen, anstatt vorzusorgen. Ein weiterer globaler Trend ist die Überalterung der Gesellschaft. Das ist eine konstante Entwicklung in vielen Ländern. Bis 2050 wird es in Europa zwei arbeitende Personen für jeden Pensionisten geben. Stellen sie sich die große finanzielle Last vor, wenn so viele Menschen weitaus länger leben, als Sie eingezahlt haben. Darum denke ich, dass Spas und Hotels im Bereich Wellness aktiver sein werden. Das wird in Form von therapeutischen Behandlungen stattfinden, aber auch als Lifestyle-Management.
SWB: Wer ist ihre Hauptzielgruppe?
Gibson: Die haben wir nicht. Unsere Hauptzielgruppe sind die Mandarin-Oriental-Gäste. Allerdings erkennen wir einen Trend der Überalterung. Und das ist eine Chance für uns. Allerdings ist das nicht unser Hauptfokus. Ein weiterer Bereich, an dem wir arbeiten, sind Wellness-Hubs. Nehmen wir einen durchschnittlichen Mandarin-Oriental-Gast, zum Beispiel in München oder London, da bleibt unser Gast vielleicht nur ein oder zwei Tage. Er kommt als Geschäftsmann/frau in diese Stadt und hat viele Geschäftstermine. Ich werde diese Personen niemals für Wellness begeistern können. Ich schätze mich glücklich, wenn ich sie/ihn für eine Stunde zu einer Massage überzeugen kann. Aber ich kann beginnen, seine Augen zu öffnen, indem ich sie/ihn informiere, dass wir an anderen Standorten Rückzugsorte (Retreats) haben, wo wir sie/ihn über gesundes Leben und gesundes Essen informieren können. Dort kann sie/er einige Tage bleiben und an den Programmen teilnehmen. Auf diese Art und Weise versuchen wir Cross-Marketing zu betreiben. Man kann nicht überall sein. Man muss sich in bestimmten Nischen spezialisieren. Wir haben eine Mischung aus Stadthotels und Retreats.
SWB: Ein weiteres Thema: Die meisten Spas in deutschsprachigen Ländern sind nicht profitabel. Welche Fehler machen sie Ihrer Meinung nach?
Gibson: Die Spas sind da, um die Hotels zu füllen. Man kann das von zwei Seiten sehen. Man kann für die Spas eine eigene Gewinn-Verlustrechnung machen und zum Schluss kommen, dass sie profitabel sind oder nicht. Oder man kann die Spas als etwas betrachten, was das ganze Hotel repräsentiert. Und so sollte man es machen. Wir sehen bei unseren Hotelgästen unterschiedliche Konsummuster, ob sie die Spas benutzen oder nicht. Smith Travel Research (STR) hat eine Studie über amerikanische Hotels mit und ohne Spas gemacht und ist zum Schluss gekommen, dass ein Hotel mit Spa 76 Dollar pro Nacht mehr für ein Zimmer verlangen kann. Das schlägt sich direkt im Profit nieder. Bei uns ist der Aufschlag sogar noch höher und liegt bei etwa 200 Dollar. Die extra Ausgaben der Gäste können sogar bei über 500 Dollar liegen. Als Geschäftsmodell muss man sich die gesamte Einheit anschauen. Tragischerweise machen das die meisten Leute nicht. Sie sehen sich nur die jeweiligen Gewinn-Verlustrechnungen an und sehen den Zusammenhang nicht.
SWB: Bezüglich der drei Säulen, die in einem Spa wichtig sind - Wirtschaftlichkeit, Ausstattung und die Software -, welche dieser drei ist aus ihrer Sicht am wichtigsten?
Gibson: Meiner Meinung nach ist die Software am wichtigsten. Wenn das Personal nicht passt, kann man das beste Design und die beste Ausstattung haben - das wird die Kunden nicht beeindrucken. Aber wenn der Therapeut ungewaschen riecht oder sie etwas Falsches machen, daran erinnert sich der Besucher. Die Software ist also am wichtigsten. Aber ich würde betonen, dass man, bevor man beginnt, ein Spa zu designen oder man an die finanziellen Aspekte herangeht, sich fragen sollte, Warum mache ich das? Welchen Markt möchte ich erreichen? Welche Dienstleistungen, welche Anwendungen will ich anbieten? Wenn man damit beginnt, dann wird der Designprozess funktionieren.
SWB: Sie sprechen meist von großen Marken und Hotelketten, aber in Deutschland, der Schweiz und Österreich ist die Tourismusindustrie von kleinen Hotels geprägt, von Familienunternehmen. Sie können sich meistens keinen Berater leisten, also müssen sie selber recherchieren. Welchen Rat können Sie ihnen geben?
Gibson: Zuerst sollte man natürlich seine eigene Recherche machen und sich ansehen, was woanders funktioniert. Man kann mit anderen in der Branche sprechen, in den meisten Fällen kennen sie Ihren lokalen Markt. Fragen Sie ihre Kunden, was sie wollen, wenn Sie meinen, Sie können sich keine Berater oder Designer leisten. Sie können sich wohl nicht die gleichen Berater leisten wie Mandarin Oriental, aber Sie können sich immer noch einen Architekten holen, der auch Geld kostet, aber Sie sollten schauen, dass sie für ihr Geld das Bestmögliche bekommen.
SWB: Was sind die größten Fehler, die bei der Planung oder Führung von Spas gemacht werden?
Gibson: Was die Planung anbelangt, ist oft das Ego das Problem, und oftmals auch Unerfahrenheit und Nichtwissen, was der nächste Schritt ist. Ich denke, das größte Problem für Familienunternehmen ist, zu wissen, wo man Informationen und Hilfe herbekommt. Dann muss man den Mut haben, die Ratschläge der Designer anzunehmen und sich nicht nur vom eigenen Ego leiten zu lassen. Es gibt zu viele Spas, wo der Besitzer seine eigenen Vorlieben verwirklicht hat und nicht versteht, was der Markt benötigt.
SWB: Sie haben in ihrem Vortrag von medizinischen Spas und Nachhaltigkeit gesprochen. Wie wichtig ist das für ihre Marke?
Gibson: Medizinische Spas sind nicht so wichtig für uns, Wellness ist sehr wichtig. Wir konzentrieren uns auf Retreats, wo Leute ihren Stress abbauen können. Das ist etwas anderes als die medizinischen Spas, die medizinische Behandlungen anbieten. Was Nachhaltigkeit betrifft: Jeder, der heutzutage keine Nachhaltigkeit anbietet, steht auf verlorenem Posten. Aber ich glaube nicht, dass Nachhaltigkeit automatisch Natürlichkeit bedeutet. Das sind zwei verschieden Themen. Man muss eine Nachhaltigkeits-Politik haben. Das Wichtigste daran ist aber nicht, dass man selber 100% nachhaltig arbeitet, sondern dass man ehrlich und transparent zeigt, was man ist und was man tun möchte. Versuchen Sie nicht, die Gäste zu täuschen.
SWB: 2009 und 2010 sind kritisch aufgrund der wirtschaftlichen Lage. Wie war 2009 für Mandarin Oriental und wie wollen Sie der weiteren schwierigen Situation entgegentreten?
Gibson: 2009 war für einige unserer Spas nicht so gut, viele andere hatten aber kein Problem. Das Wichtigste aber war, dass wir schon 2008 ein Konzept eingeführt hatten: Verlass dich nicht ausschließlich auf Hotelgäste, um die Spas zu erhalten. Wenn der Hotelgast die einzige Einnahmequelle für das Spa ist, dann ist man ausgeliefert, wenn die Zimmerbelegung zurückgeht. Wenn Sie sich auf ihren lokalen Markt fokussieren und diese zu treuen Gästen machen, dann ist das Einkommen ausgeglichener. 2009 mussten unsere zwei Hotels in Hongkong einen Rückgang der Zimmerauslastung hinnehmen, dennoch haben unsere Spas die Budgetvorgaben übertroffen. Der Grund dafür ist, dass 70% ihres Geschäfts lokal beheimatet sind. Global gesehen haben 2009 nur zwei unserer Spas die Budgetvorgaben nicht erreicht - beide waren neu eröffnete Spas. Auch wenn die Geschäftsreisenden ausfallen, können sie noch immer ihre lokalen Gäste besuchen.
Vielen Dank für das Gespräch!
SPA WORLD Business, Ausgabe 3/2010