Der „gläserne Kunde“ ist wohl das Idealbild all jener, die maßgeschneiderte Produkte kreieren wollen. Aber wie kommen wir, unter Beachtung aller ethischen Grundsätze und aller notwendigen Datenschutzbestimmungen, dorthin? Es wird beispielsweise über den traditionellen Gästefragebogen, mithilfe der Guest History oder auch durch ein Get-together und das persönliche Gespräch mit dem Gast versucht, mehr in Erfahrung zu bringen. Alles gute Versuche, über die sich, wenn sie systematisch betrieben werden, in der Tat einiges über Konsumwünsche herausfinden lässt. Gleichwohl muss gesagt werden: Mehr ist auch möglich, und das auch noch ohne großen Aufwand. Doch dazu bedarf es einer bestimmten Methodik, die hier in diesem Beitrag dargestellt werden soll. Aus der Statistik Ihres Spas geht wahrscheinlich hervor, dass Massagen und kosmetische Behandlungen vorherrschen. Andere Behandlungen werden kaum gebucht. Die Folge: Sie werden Massagen und Kosmetik noch ausbauen, wenigstens aber darauf Ihr besonderes Augenmerk legen. Das Problem an dieser Stelle ist jedoch, dass Sie schauen „was“ die Gäste tun, und nicht „warum“ sie es tun. Sie sollten wissen, dass Massagen nur selten um ihrer selbst willen gebucht werden, sondern um damit etwas zu erreichen. Was aber? Es gibt Befragungen die offenlegen, dass Massagen gebucht werden, um Entspannung zu erlangen. Und kosmetische Behandlungen? Hier sind die Motive nicht so eindeutig gelagert, da geht es auch um Entspannung, aber auch um Hautpflege und einen schönen Körper. Und wissen Sie genau, welches Motiv hinter „Schwimmen“, „Radeln“ oder „Fitness“ steckt?
Versteckte Motive, die sich hinter Konsumwünschen verbergen, sind sehr komplex und oft nur schwer zu entdecken. Dazu eignet sich eine bestimmte Interviewtechnik, die auch als „Laddering“ bezeichnet wird. Sie ist aus zwei Gründen sensibel: Einerseits können die Informationen, die dabei erfragt werden, persönlicher Natur sein. Andererseits muss dieses häufig eher unbewusste Wissen durch bestimmte Fragen zu Tage gefördert werden. In stark verkürzter Form kann das wie folgt aussehen:
■ Frage: Warum besuchen Sie dieses Hotel? Antwort: Ich fühle mich so erschöpft.
■ Frage: Was ist der Grund für Ihre Erschöpfung? Antwort: Ich habe so viel zu tun.
■ Frage: Warum ist das so bei Ihnen? Antwort: Ich möchte eine gute Position in meiner Firma erlangen, deshalb arbeite ich sehr viel.
■ Frage: Was wollen Sie damit erreichen? Antwort: Ich möchte, dass ich dadurch beruflich und privat mehr Anerkennung erlange.
■ Frage: Eingangs haben Sie gesagt, dass Sie Entspannung benötigen. Wie versuchen Sie dies hier im Hotel zu erreichen? Antwort: Durch Massagen und viel Schlaf.
Keine andere Interview-Methode erlangt mit so wenig Fragen so viele Informationen über die Konsumpräferenzen eines Gastes. In der Abbildung unten sehen wir das Ergebnis davon. Zu Beginn wurde nach den Besuchsmotiven gefragt (links), nach einigen Zwischenfragen dann planmäßig nach den Werten (rechts), die sich dahinter verbergen.
Um zu den Ergebnissen auf der rechten Seite zu gelangen, bedarf es zahlreicher Zwischenschritte, die allesamt interessante, weitere Anregungen für die Angebotsentwicklung geben. Dabei ist zu betonen, dass das, was auf der linken Seite steht, jenes Wissensniveau ist, was aus einem normalen Gästefragebogen ermittelt wird. Das tiefenpsychologische Hintergrundwissen jedoch, das daraus resultiert (rechte Seite), ist weitgehend unbekannt, lässt aber bei klarer Analyse eine überaus zielgruppenspezifische Angebotsentwicklung zu. Für diese Technik eignet sich kein unveränderbarer Fragebogen, jede Frage ergibt sich aus der vorherigen Antwort, folgt aber einem klaren Ziel.
Das, was das Hotel normalerweise durch eine oberflächliche Befragung ermittelt, sind also nur Mittel, mithilfe derer ganz andere Dinge erreicht werden sollen. Die verborgenen Motive sind mitunter eher abstrakt. Sie fordern Kreativität, um sie im Kontext eines Hotels in ein buchbares Produkt umzuwandeln. Wir empfehlen daher, am Ende des Interviews noch einmal eine Konkretisierung vorzunehmen mit der Frage, welchen Beitrag das Hotel leisten kann, um beispielsweise „Entspannung“ (linke Seite) oder „Glück“ (rechte Seite) zu kreieren.
Laddering Technik
Die Laddering-Technik kann durch eine Frage-Antwort-Sequenz im persönlichen Gespräch oder via Email durchgeführt werden. Da pro Gast erfahrungsgemäß nur ca. 10 Fragen notwendig sind, die mit wenigen Stichworten beantwortet werden können, um von den vordergründigen zu den verborgenen Motiven zu kommen, kann ein Interview in einer Viertelstunde abgeschlossen sein. Es ist zu empfehlen, ca. 30-50 Interviews dieser Art zu machen, um einen psychografischen Querschnitt durch das Hotel und seine Gäste zu erlangen.
Weitere Auskünfte gibt Ihnen gerne:
Prof. Dr. Kai Illing, TDC, E-Mails bitte an info@wellnessworldbusiness.com Betreff: Gästepräferenzen
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