Die Zeiten der Verunsicherung werden immer größer. Eigentlich war der Plan ein harter Lock-down und danach eine einigermaßen vernünftige Wintersaison, durch eine Virusmutation ist dies jedoch in weite Ferne gerückt. Momentan fühlt sich so an, als nehme die Krise kein Ende.
Gesundheit & Hygiene
Durch die Impfung haben wir ein Instrument die Pandemie zu beenden. Wie schnell und wieviele können geimpft werden, bevor sich eine neuerliche Mutation eventuell weiter verbreiten kann?
Neben der Impfung sind vorher aber noch weiterhin die Hygiene- und Distanzmaßnahmen weiterhin einzuhalten. Auch Partner (hollu, Schülke & Mayr etc.) sind in Hygienefragen wichtig, um Konzepte umzusetzen, die eine digitale Routine wie Tracking ermöglichen.
Eigenkapitalquote
Wenn es um existenzielle Fragen geht, ist vielleicht noch wichtiger, die Eigenkapitalquote zu verbessern. Das Eigenkapital wird immer weniger und deshalb sollten auch hier Gespräche mit den wichtigsten Partnern, wie Banken, Steuerberater*innen oder auf Mitarbeiter*innen geführt werden. Fixkostenzuschuss, Kurzarbeit und Umsatzersatz können hier helfen. Aber auch Berichtigungen der Buchwerte in den Bilanzen die oft aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr stimmen. Die Prodinger Tourismusberatung (tourismusberatung.prodinger.at) schlägt eine „Aufwertung der Liegenschaften auf den Verkehrswert“ vor. Damit ließen sich exaktere Werte in den Jahresabschlüssen darstellen. Eine Übergangsregelung bis 31.12.2022 wäre sinnvoll, wonach das Vermögen mit dem Viertel-Steuersatz begünstigt aufgewertet werden kann und die Bilanzen das echte Eigenkapital aufweisen. Dies würde die Bonität stärken und langfristig die Abschreibungsbasis erhöhen. Auf der anderen Seite wären, wenn es die Situation erlaubt, Investitionen in Renovierung, Neu- oder Umbau durchaus sinnvoll. Aufgrund der fehlenden Gäste sind gerade jetzt die Kosten niedrig. Abläufe können so viel schneller ablaufen.
Interviews
Um einen Eindruck zu bekommen, wie es der Wellnessbranche derzeit geht, haben wir prominente Hoteliers und Manager*innen zum Gespräch gebeten. Die Bandbreite der Reaktionen zur Situation war sehr unterschiedlich. Einige waren auch ziemlich verärgert.
WELLNESS WORLD Business Wie ist derzeit der aktuelle Stand bei Ihnen im Unternehmen?
Dkfm. Elisabeth Gürtler (Astoria Resort): Wir haben alle Mitarbeiter*innen bis Ende Februar in KUA und somit derzeit geschlossen. Die Zeit nutzen wir für Schulungen, für die Erarbeitung von Standards und wir versuchen mit unseren Gästen in Kontakt zu bleiben, indem wir sie in Dialoge einbinden.
Johann Haberl (Larimar Hotel): Auch unser Hotel ist geschlossen. Das ist katastrophal. Die Gäste verstehen das nicht und sind wütend, wir verstehen das auch nicht. Gerade die Hotels haben sehr gute Hygienekonzepte und es gab bei uns über den Sommer und Herbst keine Ansteckungen. Diese Maßnahmen sind unverhältnismäßig und der wirtschaftliche Kollateralschaden ist unermesslich. Das haben die Politiker zu verantworten.
Mag. Gernot Deutsch (Heiltherme Bad Waltersdorf): Wir haben die Situation bis Oktober aufgrund eines erfreulichen Sommers 2020 gut überstanden. Seitdem ist die Situation kritisch und bedrohlich, belastend und fordernd. Wir hoffen auf einen Neustart mit Mitte Jänner 2021 und in der Zwischenzeit sind alle Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit oder auf Urlaub. Wir hoffen außerdem, dass der vielfach angekündigte Umsatzersatz tatsächlich ausbezahlt wird. Das Ankündigen gehen offensichtlich leichter als das Umsetzen.
Klaus Hofmann (ÖHV Vizepräsident): Wie alle Hotels und Freizeiteinrichtungen sind wird behördlich derzeit geschlossen. Buchungen für die Zeit nach der Schließung sind aber möglich. Unsere Hoffnung und auch die vieler unserer Gäste ist, dass wir so bald wie möglich wieder öffnen können. Wir nutzen die erneute Pause für Trainings bzw. Instandhaltungen und bauen unseren Kinderentdeckerclub aus.
WWB: Was halten Sie von den aktuellen Maßnahmen des neuerlichen Lockdowns, sind sie Ihrer Meinung nach angemessen?
Gürtler: Ich habe lange für das Freitesten der deutschen Gäste bei ihrer Rückkehr aus Österreich gekämpft. Allerdings liegt Österreich mittlerweile weit über der BRD bezüglich der Inzidenz. Daher war der Lockdown die einzige Möglichkeit, halbwegs rasch davon herunterzukommen- ich akzeptiere ihn voll und ganz, hätte sogar noch strengere Maßnahmen akzeptiert.
Haberl: Nein, ein 3. Lockdown ist wie auch die vorangegangenen unverhältnismäßig. Wer wird den Schaden bezahlen? Wahrscheinlich die gesamte Bevölkerung mit hohen Steuern. Wo haben die Ansteckungen stattgefunden? In Alters- und Pflegeheimen, in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln und bei privaten Feiern. Nicht in Hotels oder in der Gastronomie. Wir sind in Wahrheit Hygienepartner für die Regierung, auf die man nicht verzichten sollte. Die Bundes- und die Landesregierungen haben versäumt, auf die Alters- Pflegeheime zu achten, zu testen und zu kontrollieren. Ob es in Zukunft besser wird, ist noch nicht erkennbar. Die Hotellerie und Gastronomie bezahlt u.a. die Rechnung. So kann es nicht sein.
Deutsch: Es sieht so aus, als hat jemand gewürfelt. Anders lässt sich nicht erklären, warum der Handel aufmachen darf und die Hotels nicht. Es ist eine Ungleichbehandlung, die unsere Gäste überhaupt nicht verstehen. Ich befürworte die Maßnahmen der Regierung, allerdings sollte ein Lockdown auch ein Lockdown sein und keine Bevorzugung von Interessen. Also alle zu oder alle auf.
Hofmann: Der Lockdown war angesichts der Infektionszahlen offensichtlich alternativlos. Wäre er früher gekommen, wäre vielleicht eine Öffnung vor Weihnachten möglich gewesen. Unverständlich ist für uns in der Thermen-Branche, dass wir trotz umfangreichster Hygienemaßnahmen geschlossen halten müssen, während in anderen Bereichen, die nicht so sicher sind, bereits wieder Öffnungsschritte unternommen wurden.
WWB: Ist die Wellness- und Thermenbranche Ihrer Meinung nach gut vertreten, wenn es um die Umsetzung der Vergütungen oder Entschädigungen geht?
Gürtle: Wir haben eine wirtschaftsfreundliche Regierung, der bewußt ist, wie sehr der Tourismus betroffen ist. Daß Gesundheitshotels mit ärztlicher Betreuung allerdings geöffnet sein dürfen, widerspricht den derzeit angeführten Argumenten, warum eine Infektionsgefahr in der Hotellerie gegeben ist.
Haberl: Nein, ich fühle mich nicht gut vertreten. Die Wirtschaftskammer ist auf Regierungslinie und die ÖHV ist zu schwach. Eine gute Interessensvertretung würde es schaffen, dass die Hotels als Hygienepartner offen sind.
Deutsch: Die Thermenbranche ist 3-fach gut vertreten. Erstens mit der ÖHV, die sich ganz speziell um Thermen-Anliegen im Rahmen der Aufgaben für Großbetriebe kümmert. Zweitens mit der neu geschaffenen Initiative „Therme Plus“, bei der alle 40 österreichischen Thermen vertreten sind. Drittens mit dem Thermenland Steiermark Regionalverband, da ja die Steiermark die meisten Thermen und auch den größten Marktanteil in Österreich hat.
Hofmann: Die Thermenbranche wird oft noch immer als Teil der Freizeitwirtschaft und nicht als Teil der Hotellerie bzw. idealerweise der Tourismuswirtschaft gesehen. Daher hat Dir. Gehard Gucher (Vamed Vitality World) die Initiative Therme A Plus gegründet – wo sich 38 Thermen zusammengeschlossen haben, um auf die Besonderheit und Bedeutung der Thermenbranche aufmerksam zu machen.
WWB: Wie gut fühlen Sie sich vom Tourismusministerium vertreten?
Gürtler: Frau BM Köstinger versucht ihr Bestes…
Haberl: Überhaupt nicht. Sie kämpfen nicht darum, dass Hotels und Gastronomie offen bleiben können.
Deutsch: Von der Ministerin fühle ich mich sehr gut vertreten, vom Tourismusministerium als Einheit fühle ich mich durchschnittlich vertreten. Ich habe das Gefühl, man möchte alles auf das Gesundheitsministerium abschieben. Der Stellenwert und die Sicherheit des Tourismus wird zu wenig anerkannt. Hier kommt wieder das Beispiel mit dem Handel, der deutlich besser gestellt wird.
Hofmann: Grundsätzlich ist BM Elisabeth Köstinger zugänglich für uns und hat stets ein „offenes Ohr“. Sie unterstützt unsere Anliegen.
WWB: Was halten Sie vom Vorwurf mancher Parteien die meinen, dass es eine Überförderung gäbe oder manche Unternehmen mit dem Härtefall-Fonds, Fixkostenersatz, Corona-Kurzarbeit und Umsatzersatz satte Gewinne machen würden?
Gürtler: Die Unterstützungen müssen je nach Größe eines Unternehmens differenziert betrachtet werden. Für den Großteil der Tourismusbetriebe mit doch geringen Umsätzen mag die Förderung zu Gewinnen führen oder Verluste beträchtlich minimieren, für die umsatzstarken Betriebe oder für Gesellschaften, die mehrere Betriebe mit verschiedenen Standorten umfassen, ist die Umsatzersatz-Deckelung für November & Dezember mit € 800.000.- sicherlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die KUA (Kurzarbeit) ist ein gutes Instrument um Mitarbeiter*innen, die ja der Erfolgsfaktor eines Tourismusunternehmens sind, im Betrieb zu halten, flexibel zu sein ohne die vollen Kosten dafür zu tragen. Offen ist noch, auf welcher Basis der Fixkostenersatz erfolgen wird und welche Förderungen gegengerechnet werden müssen.
Haberl: Die verstehen nichts von Wirtschaft. Im November waren auch die Weihnachtsgelder zu bezahlen. Niemand wird mit den diversen Kostenersätzen Gewinne machen, und wenn, dann zahlt man ohnedies dafür hohe Steuern.
Deutsch: Themenverfehlung. Solche Behauptungen sind ein Skandal. Wer so etwas in unserer Branche, also „Thermen & Tourismus“ als Politiker*in sagt, sollte schnellstens zurücktreten. Nicht konkrete Gerüchte zu verbreiten, ist das Schlimmste, was Menschen tun können. Solche Worthülsen helfen unserer Branche gar nicht und treffen selbstredend nicht zu.
Hofmann: Ich kenne keinen Betrieb der lieber geschlossen bleibt – alle möchten wieder öffnen. Es mag manche kleinere Betriebe geben, für die die Unterstützungspakete ausreichen – ich kenne aber viel mehr Betriebe wo es jetzt wirklich „ums Ganze“ geht.
WWB: Wie sieht ihr Plan nach dem 25. Jänner aus?
Gürtler: Wir werden das Astoria öffnen, auch wenn die Auslastung durch das Ausbleiben der deutschen Gäste sehr niedrig sein wird, denn unsere Mitarbeiter*innen können nicht so lange ganz ohne zu arbeiten zu Hause sein: Die Wiedereingliederung in einen Arbeitsprozess wird nach einer so langen Arbeitspause immer schwieriger.
Haberl: Wir wollen aufsperren. Doch so wie es heute aussieht, wird es wohl nicht dazu kommen. So wird aus einer Krise eine Katastrophe gemacht.
Deutsch: Aufmachen so schnell als möglich. Unsere Gäste warten und wir werden sie glücklich machen.
Hofmann: So bald es geht wieder aufsperren! Bedingungsloses Einhalten der Empfehlungen der Gesundheitsexperten, mit einem Schutzkonzept, das deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinausreicht. Das hat im Frühjahr bereits sehr gut funktioniert und wird von unseren Gästen sehr geschätzt.
WWB: Wie sehen Sie die Nahe Zukunft der gesamten Branche in Österreich?
Gürtler: Ich bin überzeugt, daß der Tourismus, insbesondere der Erholungstourismus, eine chancenreiche Zukunft vor sich hat, denn die Menschen haben ein Bedürfnis nach Urlaub, wobei es einen Paradigmenwechsel gegeben hat: es zählen bei der Entscheidung, wo und wie Urlaub verbracht werden soll, andere Werte- wie etwa Nähe, Erreichbarkeit, Regionalität, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Naturerlebnis - und das kommt einem Urlaub in Österreich zugute.
Haberl: Es ist schwierig und es wird schwierig bleiben. Die Politik versagt in Österreich und in Europa. Laut den Virologen im deutschen Coronaausschuss sind 50 % der Tests falsch positiv. In Wahrheit sind die Zahlen viel niedriger und es würden einfachere Maßnahmen reichen. Abstand, Maske, Desinfektion und Achtsamkeit.
Deutsch: Gut. Als Tourismusland Nr. 1 in Europa haben wir alle Trümpfe in der Hand. Wir können uns selbst wieder aus dem Sumpf holen.
Hofmann: Für unsere Thermenbranche sehe ich positiv in die Zukunft. Gesundheit & Prävention in Österreich hat jetzt mehr Bedeutung denn je. Fernreisen, Kreuzfahrten wie auch Städtetourismus werden viele Jahre brauchen bis sie an 2019 anschliessen können. Die Sehnsucht nach Tapetenwechsel und sich etwas Gutes tun bleibt aber ungebrochen. Daher werden wir in unserem Segment in Österreich profitieren.
WWB: Wollen Sie eventuell ergänzend noch etwas hinzuzufügen?
Gürtler So wie es im Sommer ein Revival der guten alten Sommerfrische mit Aktivitäten wie Wandern und Radfahren gegeben hat, wird sich auch der Wintertourismus verändern. Skifahren wird nicht nur wegen der sinkenden Schneesicherheit vieler Regionen, sondern auch wegen der umweltbewußten Betrachtung all der mit dem Skisport vorgenommenen Eingriffe in die Natur, für viele immer weniger attraktiv. „Sanfter Urlaub“ mit Bewegung in einer Winterlandschaft (Skiwandern, Langlaufen, Schneeschuhwandern, Tourengehen, Rodeln, Eislaufen, Spazieren) gewinnt an Beliebtheit, wodurch auch Regionen in mittleren Höhenlagen künftig ein Entwicklungspotential haben.
Haberl: Seit es das Coronaproblem gibt, hat niemand mehr Grippe. Das macht mich sehr nachdenklich. Wir leben mit Viren und Bakterien und wir werden auch mit dem Corona Virus leben. Er lässt sich nicht ausrotten. Wir haben bereits gelernt damit zu leben. Achtsam sein, ist die neue Lebensdevise. Es steckt möglicherweise viel mehr dahinter, als wir ahnen.
Deutsch: Maske auf und durch!
Wir danken für das Gespräch!
© WELLNESSWORLD Business 3-4 /2020