Was passiert
... ist einfach zu beschreiben. Ein Problem im Leben, das man schon auf mannigfaltige Weise zu lösen versucht hat, schleicht sich immer wieder durch die Hintertür ein. Fraglosigkeit macht sich breit. In diesem Fall nehmen viele Menschen Hilfe in Form einer Familienaufstellung an. Meist werden solche Seminare an Wochenenden oder an einzelnen Abenden angeboten und sind mit etwas Zeitaufwand verbunden. Auch wenn eine einzelne Aufstellung selten länger als eine oder eineinhalb Stunden dauert, wird das Ergebnis von der Teilnahme von mehreren Menschen getragen und an einem solchen Wochenende oder Abend wird nicht nur die Problemstellung eines einzelnen Menschen bearbeitet.
Man findet sich also in einer Gruppe ein und definiert anhand einer kurzen Befragung die Ausgangssituation des Problems. Der Aufstellungsleiter kann nun aufgrund seiner Erfahrung erwägen, welche Personen aus dem familiären System involviert sind und zur Lösung beitragen können. Der Aufsteller sucht sich selbst aus der Gruppe der Teilnehmenden die für ihn geeigneten Personen aus, die z. B. stellvertretend die Rolle der Mutter oder des Vaters übernehmen. Dann beginnt er, diese Personen in einem dafür abgesteckten Raum zu positionieren. Leiten lassen soll er sich hierbei von seinem Gefühl und nicht davon, wie er die Familie verstandesmäßig wahrnimmt. Hat der Aufsteller das richtige Bild bzw. die richtige Konstellation der Beteiligten erschaffen, räumt er das Feld. Die Darsteller empfangen nun Bewegungsimpulse und/oder können gewisse Gefühlswahrnehmungen formulieren. Aufgrund dieser Impulse versucht der Aufstellungsleiter zu intervenieren, indem er die Darsteller motiviert, ihren Platz innerhalb des Raumes zu wechseln, um dadurch das System zu verändern. Oft ist es auch notwendig, dass sich noch fehlende Personen, die zunächst übergangen oder vergessen wurden, der Aufstellungssituation durch weitere Stellvertreter anschließen.
Diese Interventionen werden solange vollzogen, bis das System zu einem Stillstand kommt, der mit einer Problemlösung für den Aufsteller zusammenhängt.
Wie funktioniert das
Es scheint etwas eigenartig, dass ein einfaches Positionieren von Menschen in einem Raum dafür verantwortlich sein kann, dass sich Lebenssituationen von Menschen verändern können. Doch Andrea Mikisch erklärt, dass das Funktionieren dieser Methode mit dem morphogenetischen Feld zusammenhängt: Jeder Einzelne von uns besitzt ein Energiefeld, das mit anderen Energiefeldern kommuniziert. Sobald vom Aufsteller Personen als Stellvertreter ausgewählt werden, wird auf diese Felder zugegriffen und sie beginnen miteinander zu interagieren. Die Darsteller einer Aufstellung sind sozusagen das Sprachrohr des morphogenetischen Feldes, das emotionale Informationen trägt. Das Interessante dabei ist, dass dieses Feld nicht nur momentane Zustände von einzelnen Personen, sondern ebenso geschichtliche Informationen, z. B. die einer Familie, transportiert und bereits die Lösung in sich trägt. Aufgrund der Tendenz zum Ausgleich, d. h., in Richtung Lösung, beginnt sich dieses Feld zu bewegen. Dies äußert sich während der Aufstellung darin, dass die Darsteller ihre Position verändern und durch diese Bewegung auch unterschiedliche emotionale Zustände wahrnehmen.
Die Aufstellungsleitung interveniert hier also aufgrund der Konstellation. Die Erfahrung auf diesem Gebiet ist ausschlaggebend dafür, ob der Leiter die richtigen Impulse setzt. Werden der Aufstellungssituation etwa die falschen Personen hinzugefügt, so kann dies dazu führen, dass das System zum Stillstand kommt, ohne dabei eine Lösung gefunden zu haben.
Wie wirkt es sich aus
Ausgehend von der oben beschriebenen Situation ermöglicht das Lösungsbild in den meisten Fällen, dass auf ein Problem eine komplett neue Sichtweise gewonnen werden kann und dass die Personen, die die Darsteller während einer Aufstellung verkörpert haben, in einem neuen Licht erscheinen. Dies ermöglicht eine Verhaltensänderung: Der Aufsteller hat die Möglichkeit, diesen Personen nun im Alltag anders zu begegnen, was sich letzten Endes auch auf sein Gegenüber auswirkt.
Anhand eines einfachen Beispiels erklärt, kann etwa die neu gewonnene Sichtweise dazu führen, dass auf eine Konfliktsituation nicht wie bisher mit einem Wutanfall reagiert wird, sondern vielmehr das dahinterliegende Problem oder etwa die persönlichen Gefühle artikuliert werden können. Da der Gesprächspartner nun nicht mehr mit Aggressivität konfrontiert wird, kann auch er eine neue Reaktionsweise annehmen. So entsteht möglicherweise eine Gesprächsbasis, die zur Lösung des Konflikts führt. Mikisch erklärt dies folgendermaßen: Wir leben in einer Welt der Polaritäten. Wenn wir an Blockade denken, dann ist der darin liegende Gegenpol die Lösung. Wenn ich einen Glaubenssatz habe, der ausdrückt, Ich darf nicht !, ist darin auch schon die Möglichkeit von Ich darf ! impliziert.
Ausschlaggebend hierfür ist nach Mikisch, dass diese Arbeit wirklich emotionale Arbeit ist. Die Gefühlswahrnehmungen während einer Aufstellung wie auch das Lösungsbild stellen keine mentalen Wahrheiten dar, sie sind vielmehr ein für den Aufsteller stimmiges, emotionales Bild zu einer speziellen Situation.
Wer sollte aufstellen, wer nicht
Die Aufstellungsarbeit als Methode zu wählen, ist selbstverständlich Geschmacksache, weshalb für eine erfolgreiche Aufstellung der Wille vorhanden sein muss, tatsächlich etwas verändern zu wollen. Dennoch sollten psychisch-kranke und labile Menschen von einer Aufstellung absehen, außer sie sind bei einem qualifizierten Psychotherapeuten in Behandlung, der zu einer derartigen Intervention rät. Ansonsten gibt es verschiedenste Ansatzpunkte für Aufstellungswillige. Sehr geeignet ist die Methode der Supervision, wenn man in einem Team oder im Umgang mit Kunden auf einen immer wiederkehrenden Konflikt stößt. Aber auch persönliche Probleme sind über die Aufstellungsarbeit gut zu lösen, sofern der Aufsteller, dies wirklich möchte. Mikisch deutet hier nochmals darauf hin, dass die Einstellung entscheidend den Erfolg einer Familienaufstellung beeinflusst: Ist mir das Anliegen nicht wichtig, wird es nichts bringen!
Wie finde ich einen guten Aufstellungsleiter
Auch wenn in den meisten Fällen die Mundpropaganda zu Empfehlungen führt, kann man sich als Neuling noch dahin gehend absichern, indem man sich darüber informiert, wo der Leiter seine Ausbildung bekommen hat. Ein guter Aufstellungsleiter bringt nach Andrea Mikisch das Talent zu hohem Einfühlungsvermögen mit und besitzt die Bereitschaft, sich selbst ganz zurückzunehmen.
Es geht schließlich darum, das System arbeiten zu lassen und aufgrund dessen Impulse zu setzen, und nicht darum, eine vermeintliche Lösung anzustreben, meint Mikisch. Zum anderen ist es wichtig, eine sehr praxisorientierte Ausbildung zu absolvieren, die sich zumindest über ein Jahr erstrecken sollte. In der Praxis wird durch Supervision die Wahrnehmungsfähigkeit geschult und in der begleitenden Selbsterfahrung bekommen Aufstellungsleiter ein klares Bild über ihre eigene Persönlichkeit und ihre eigenen Problemfelder.
Ein Vorgespräch und eine Nachbetreuung sollten auch zum Angebot eines guten Aufstellungsleiters gehören. Besonders die Nachbetreuung ist wichtig, insofern Aufstellungen auch schwerwiegende Ereignisse aus der Familiengeschichte aufdecken können. Jede Aufstellung schließt zwar mit einem positiven Lösungsbild, durch das sich der Aufsteller in Bezug auf seine Problemstellung befreit fühlen kann, doch die Geschichte muss auch getragen werden können.
Fazit
Aufstellungsarbeit in all ihren Facetten kann wärmstens empfohlen werden. Für Neulinge lohnt es sich durchaus, bevor man selbst aufstellt, ein Wochenende oder einen Abend als Darsteller zu fungieren. Dadurch kann man Vertrauen zur Methode gewinnen und sehen, wie sie funktioniert!
Andrea Mikisch ist Lebens- und Sozialberaterin und Aufstellungsleiterin in Wien. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie das Amaté-College, ein Ausbildungsinstitut für Persönlichkeitsentwicklung in Wien.
SPA WORLD Business, Ausgabe 3/2010