Generell verbindet man mit einer Virusinfektion eher eine Gewichtsabnahme, nicht jedoch bei der aktuellen Coronavirus-Pandemie, welche Österreicher*innen im Durchschnitt etwa 2kg mehr auf die Waage bringen lässt. Daten einer kleinen Studie zeigten, dass sich die körperliche Alltagsaktivität vor allem bei bereits im Vorfeld inaktiven Menschen durch den Lockdown weiter reduzierte. Diese körperliche Inaktivität führte über den langen Zeitraum von etwa 80 Tagen zu einem reduzierten Energieverbrauch, welcher sich im zusätzlichen Körpergewicht niederschlug. Nach dem schrittweisen Rückgewinn der Reisefreiheit fällt der ‘Corona-Schwimmreifen‘ nun noch schwerer ins Gewicht. Wie werden wir für unseren Sommerurlaub diese überflüssigen Kilos in möglichst kurzer Zeit wieder los? Wenn man das allwissende Internet befragt, ist das Angebot mannigfaltig und reicht von angeblich wissenschaftlich getesteten ‘Abnehmprodukten‘ über diverse Hausmittel bis hin zu Ratgebern, welche ein gesundes Abnehmen garantieren wollen.
Fasten zur Gewichtsreduktion
Eine weitere, sehr populäre Möglichkeit zur Gewichtsreduktion ist das Fasten. Die Dauer einer Fastenperiode (keine Kalorienaufnahme), reicht dabei von wenigen Stunden bis hin zu einigen Tagen oder Wochen. Wechseln sich Fasten- und Essperioden immer wieder ab bezeichnet man die Fastenform als „Intervallfasten“ oder „intermittierendes Fasten".
Tabelle 1 veranschaulicht die unterschiedlichen Formen des Intervallfastens:
Tabelle 1 Methoden des Intervallfastens
Bezeichnung | Definition |
16:8 Methode | Täglich 16 Stunden fasten und 8 Stunden Essensfenster |
20:4 Methode (Warrior Methode) | Täglich 20 Stunden fasten und 4 Stunden Essensfenster |
5:2 Methode | 5 Tage pro Woche übliche Ernährung und 2 Tage pro Woche Fasten (keine Kalorienaufnahme) |
Alternate Day Fasting (ADF) | Fastentage (ohne Kalorienaufnahme) wechseln sich mit Esstagen (beliebige Kalorienaufnahme) ab |
Modifiziertes Alternate Day Fasting | Fastentage (mit 20-25% des benötigen Tagesbedarfs an Kalorien) wechseln sich mit Esstagen (beliebige Kalorienaufnahme) ab |
Die Popularität des intermittierenden Fastens dürfte damit zusammenhängen, dass es Untersuchungen gibt, die auf eine Gewichtsabnahme ohne Jo-Jo-Effekt, wie auch positive Auswirkungen auf die Gesundheit durch diese Methode hinweisen. Die Evidenz dazu stammt allerdings zu einem großen Teil aus Untersuchungen an Mäusen, Ratten und Affen. Bereits im Jahr 1935 wurde im Tierexperiment nachgewiesen, dass intermittierendes Fasten zu einer Verbesserung der durchschnittlichen und maximalen Lebensspanne führen kann. In einer Vielzahl an Tierexperimenten konnten ebenso positive Auswirkungen auf unterschiedliche Organsysteme (Herz, Gehirn, Blut, Muskulatur, Leber und Darm) nachgewiesen werden. Klinische Studien an Menschen werden meist nur mit geringer Teilnehmerzahl durchgeführt und sind zudem auch nur in einer überschaubaren Anzahl vorhanden. Eine der größten Studien, die ‚InterFast-Studie‘, wurde in einem Kooperationsprojekt von der Medizinischen Universität Graz und der Karl-Franzens-Universität Graz über einen Zeitraum von insgesamt 4 Jahren durchgeführt.
InterFast-Studie
Diese Kohortenstudie mit angeschlossener randomisierter, kontrollierter Studie setzte sich zum Ziel, sowohl kurzfristige als auch mittelfristige Auswirkungen von ‘Alternate Day Fasting‘ (ADF) auf den menschlichen Körper zu erforschen. ADF bedeutet alternierend einmal einen Tag mit normaler Nahrungsaufnahme und komplettes Fasten (also keine Nahrungsaufnahme) am darauffolgenden Tag. Abbildung 1 stellt das Studiendesign grafisch dar.
In diese klinische Untersuchung wurden insgesamt 90 Interessierte eingeschlossen, wovon 30 Teilnehmer*innen bereits über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten ADF praktizierten. Weitere 60 Teilnehmer*innen wurden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt: 30 Proband*innen davon haben ihren aktuellen Lebensstil beibehalten, während die übrigen 30 Proband*innen für einen Zeitraum von 4 Wochen ADF praktizierten. Für die ADF-Gruppe wechselten sich über diese 4 Wochen Tage mit uneingeschränktem Genuss mit Tagen strenger Askese ab. An diesen Fastentagen war ausschließlich die Aufnahme von Wasser, schwarzem ungezuckerten Kaffee ohne Milch oder Tee erlaubt. Die Einhaltung der Fastentage wurde über einen Sensor auf der Haut kontrolliert, welcher kontinuierlich den Gewebezuckerspiegel der Studienteilnehmenden erfasste. Zusätzlich wurde die körperliche Aktivität mittels Akzelerometer gemessen. Dieses, etwa briefmarkengroße, Gerät misst die körperliche Bewegung in drei Bewegungsachsen und verschafft so einen guten Überblick über die körperliche Aktivität der Studienteilnehmer*innen. Die aufgenommenen Kalorien wurden anhand eines Ernährungstagebuchs sowie über einen Ernährungsfragebogen erhoben und nach Studienende anhand einer Ernährungsdatenbank ausgewertet. Sowohl vor Studienbeginn, wie auch nach Studienende wurde die Körperzusammensetzung der Teilnehmer*innen anhand einer Dual-X-Ray-Absorptiometrie (DXA-Messung) analysiert. Das ist ein röntgendiagnostisches Verfahren zur Ermittlung der Körperzusammensetzung. Ergänzend wurden die Teilnehmenden mit einem 24-h Blutdruckmessgerät ausgestattet, welches tagsüber in 15-Minuten Intervallen und nachts alle 30 Minuten den Blutdruck bestimmte.
Die Teilnehmer*innen waren gesund (keine dauerhafte Einnahme von Medikamenten), normalgewichtig und hatten ein Durchschnittsalter von ca. 50 Jahren. Bereits innerhalb der vier Wochen Studiendauer nahmen die Proband*innen im Schnitt rund 3,5 kg Körpergewicht ab, bei einem mittleren Ausgangsgewicht von 76 kg. Neben dieser deutlichen Gewichtsreduktion zeigten sich auch positive Auswirkungen auf weitere Gesundheitsindikatoren, wie auf das Gesamtcholesterin, den Blutdruck, das Bauchfett oder diverse Entzündungsparameter. Außerdem wurde ein Anstieg der Ketonkörper verzeichnet, die als Nebenprodukt der Fettverbrennung bei Kohlenhydratmangel entstehen und immer wieder mit positiven Effekten in Verbindung gebracht werden (Ergebnisse: Abbildung 2).
Bisher kommunizierte Nebenwirkungen wie Schlafprobleme oder Konzentrationsstörungen konnten nicht bestätigt oder sogar widerlegt werden, da die Teilnehmer*innen sowohl eine Verbesserung der Schlafqualität als auch der Konzentrationsfähigkeit berichteten. Weitere positive Nebeneffekte wie die gewonnene Zeit (durch den Wegfall der Essenszeiten und weniger häufigen Einkäufe) sowie auch eine finanzielle Ersparnis wurden angeführt.
Aktuelle Studien untersuchen Auswirkungen auf chronische Erkrankungen, wie Diabetes Mellitus Typ 2, Rheuma, Multiple Sklerose, Asthma, Psoriasis und Entzündungen des Darms. Es gibt sogar wissenschaftliche Ansätze, welche einen Einsatz für eine unterstützende Therapie bei Tumoren für möglich halten.
Autoren der Studie: Slaven Stekovic, Sebastian J Hofer, Norbert Tripolt, Miguel A Aon, Philipp Royer, Lukas Pein, Peter Pferschy, ..., Frank Madeo
© WELLNESSWORLD Business 2/2020