Gute Akzeptanz und löbliche Anerkennung verdankt die heimische Tourismusausbildung ihrer bewährten internationalen Ausrichtung. Erfolgsgarant für diese fachliche Reputation ist das gute österreichische Tourismus-Know-how, welches auch in den asiatischen und arabischen Raum erfolgreich exportiert wird. Zu diesem guten Image tragen Kollegs mit englischer Arbeitssprache (wie etwa Klessheim oder das Modul) in nicht zu unterschätzendem Ausmaß bei. Ebenso leisten die anderen Ausbildungsstätten einen wichtigen Beitrag zum guten Ruf auf dem Aus- und Weiterbildungssektor. Dennoch gibt es auch Misstöne, die leise Zweifel an der dualen Ausbildung erklingen lassen. Denn der Status quo ist nach wie vor Besorgnis erregend (wie SPA WORLD bereits in der Ausgabe 1?2/2007 aufzeigte). Qualifiziertes Personal ist nach wie vor Mangelware.
THEORIE UND PRAXIS
Kein Wunder in einer Branche, in der Betriebsloyalität eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Fluktuation ist ein kräftiges Zeichen für Wettbewerb, aber eventuell auch durch neue Impulse belebend fürs Geschäft. Andererseits sollte jedoch die hohe Bereitschaft zur Kündigung, samt anschließendem Jobwechsel, die Alarmglocken schrillen lassen. Eine weitere Frage ist, ob die begehrten Arbeitskräfte bereits zu früh ins Ausland abwandern. Und damit ist nicht nur das umliegende, benachbarte Ausland gemeint, sondern auch jenes globalisierte, internationale ?Ausland?, wo die 6-Sterne-Häuser, beziehungsweise sogar das einzige 7-Sterne-Hotel der Welt, die gut ausgebildete Absolventin, den ehrgeizigen Absolventen anlocken. Dabei erfreuen sich touristische Fachhochschulen, Universitätslehrgänge und das neue Bakkalaureat-Studium immer größerer Beliebtheit. Die Tourismusbranche reagiert schnell auf diesen Trend und besetzt Managementpositionen gerne mit Absolventen dieser Ausbildungsebenen nach. Dennoch ist es erforderlich, zur profunden Theorie eine praxisorientierte Weiterbildung zu bewerkstelligen. Oder um es mit geflügelten Politikerworten auszudrücken: Und das ist gut so!
ANALYSE
Seit Jänner 2007 ist eine topaktuelle Studie im Umlauf. Weiterbildung im Tourismus gilt nach wie vor als Karrieresprungbrett und gewinnt auch weiterhin stark an Bedeutung. Sozialkompetenzen sollen nach Meinung der befragten Experten hauptsächlich im Rahmen von betriebsinternen Programmen geschult werden. Die Studie mit dem Titel ?Tourismusausbildung in Österreich: Stärken-Schwächenprofil von Marcus Kleemann und von Mag. DDr. Harald Richar? stellt der heimischen Aus- und Weiterbildung ein aussagekräftiges Zeugnis aus. Erfreulich ist die Tatsache, dass schon die Hälfte aller Weiterbildungen der Mitarbeiter im Tourismus zu 100 Prozent von den Unternehmen beglichen wird. Obwohl Weiterbildung, frei nach Arthur Schnitzler, ein ?weites Land? ist: 68,7 Prozent der Befragten schicken ihr Personal noch hauptsächlich in WIFI-Kurse. Für erstaunliche 46 von 100 gilt das Lesen von Fachliteratur bereits als Weiterbildungsmaßnahme. Die Befragung bricht eine Lanze für die wachsende Bedeutung von innerbetrieblichen Seminaren und angewandtem Coaching. Immer mehr Unternehmen setzen auf individuelle Qualifizierungsmaßnahmen statt auf standardisierte externe Schulungen bei Großanbietern. Detail am Rande: Bei der Besetzung offener Stellen und der Informationssuche über Weiterbildungsangebote liegen Internetportale bereits vor Inseraten in Printmedien.
SOFT SKILLS
Bereits zum dritten Mal führte das vor neun Jahren gegründete Unternehmen ?Gastrojobs? (auch im Internet unter www.gastrojobs.at vertreten) gemeinsam mit der Internetplattform tourismusausbildung.at eine Studie zur touristischen Ausbildung in Österreich durch. Eine Bewertung der Vor- und Nachteile der einzelnen Ausbildungsebenen erfolgte ebenso wie eine Einschätzung, welche Berufsfelder und Karrieremöglichkeiten relevant sind. Abschließend wurde auch eine Evaluierung der betrieblichen Weiterbildungssituation vorgenommen. (Eine umfangreiche Gliederung und Beschreibung aller Ausbildungsebenen finden sich im Internet unter www. tourismusausbildung.at).
EVALUIERUNG
Dieses nun vorliegende Kompendium sieht sich als Stärken-Schwächenprofil und knüpft die eingehende Analyse an eine Reihe von Befragungen an, die sich mit der Situation auf dem heimischen Ausbildungssektor beschäftigen. Die Basis der nun vorliegenden Ergebnisse bildete eine Befragung von
- 1.257 Schülern über ihre Erfahrungen während der Ferialpraxis;
- 309 Absolventen gaben bereitwillig über Karriereplanung und Karriereverhalten nach Beendigung ihrer Tourismusausbildung Auskunft;
und - 224 heimische Tourismusmanager beurteilten Stärken und Schwächen der einzelnen Ausbildungsebenen.
DAS DUALE SYSTEM
Die 34 Seiten starke Studie stellt das duale Ausbildungssystem nicht nur zur Diskussion, sondern auch gleich in Frage. ?Die Ergebnisse zeigen, dass viele Standorte an der Realität vorbei ausbilden?, sagte einer der Studienautoren im Gespräch mit SPA WORLD (siehe Interview mit Marcus Kleemann).
Die Anzahl der Ausbildungsstätten wird gelobt, die schulischen Ziele seien einigermaßen angepasst. Dem Statement ?Die Ausbildungsinhalte in der Tourismusausbildung sind aktuell? stimmten 56,17 Prozent mit ?zutreffend? zu. Jedoch ?für Managementaufgaben im Tourismus wird eine tertiäre Weiterbildung immer wichtiger? fand die größte Zustimmung (bei 47,99 Prozent ?sehr zutreffend?, bei 45,98 Prozent ?zutreffend?). Dies verdeutlicht den Trend zur tertiären Weiterbildung: 94 Prozent der befragten Experten meinten, dass ?für Managementaufgaben im Tourismus eine tertiäre Ausbildung immer wichtiger wird?. Die Reise geht also in Richtung Entwicklung hin zu einem mehr professionellen Tourismus. Kritisch wird die Situation betriebsintern bewertet: 79 Prozent sind der Ansicht, dass Weiterbildungsmaßnahmen im Tourismus immer teurer werden, lediglich 19 Prozent stimmten dem nicht zu. ?Training on the Job? statt externer Weiterbildung also? Und dazu noch eine verstärkte Schulung der Soft Skills?
DER DRITTE WEG
Der erste Befragungsschwerpunkt in der Studie konzentrierte sich auf allgemeine Aussagen zur heimischen Tourismusausbildung. Fast ein Drittel beschied, dass es in Österreich bereits ?zu viele? Ausbildungsmöglichkeiten im Tourismus gäbe, wobei der Fokus auf den urbanen Ausbildungsstätten lag: 53 Prozent meinten, dass ?die Ausbildungen zu ähnlich sind und eine Einschätzung der Absolventen schwer ist?. Auch wurden die Tourismusschulen eher als zu ?gastronomie-/hotellerielastig? bewertet. Somit darf geschlussfolgert werden, dass eine Schärfung des inhaltlichen Profils über eigene, regional abgestimmte Ausbildungsschwerpunkte, wie Städtetourismus oder Eventmanagement, immer bedeutender wird. Der Aktualität der Ausbildungsinhalte stellt die Studie ein positives Zeugnis aus: Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass die Inhalte der Tourismusausbildung aktuell sind. Das wird vor allem auf neue Ausbildungsschwerpunkte an den Schulen und auf die Einführung der Kurzstudien zurückgeführt.
Die Beurteilung der Kompetenzen heimischer Lehrlinge fällt hingegen ernüchternd aus: Einzig der Bereich Fachausbildung wird von insgesamt 72,2 Prozent der Befragten als positiv bewertet. Ebenfalls noch im akzeptablen Bereich liegt die Einschätzung von 36 Prozent der Unternehmen, wonach das Fachwissen der Lehrlinge ?gut? sei. Die Befragung deckte die Problemfelder der dualen Ausbildungsschiene auf: Beinahe die Hälfte der zukünftigen Arbeitgeber stellten der Allgemeinbildung, der Präsentation/ Rhetorik und überraschenderweise auch der Computerausbildung eine durchschnittliche Note aus. Noch dramatischer fiel die Auswertung der Fremdsprachenkenntnisse aus. Hier meinte ein Drittel aller Befragten, dass diese bei heimischen Tourismuslehrlingen schlichtweg ?schlecht? sei.
RESüMEE
Insgesamt ergab die Auswertung der Studie ein klares Bild der aktuellen Defizite anhand der etablierten dualen Ausbildung. Dazu zählen nach Einschätzung der befragten Experten besonders die mangelnden Fremdsprachenkenntnisse, Defizite im Bereich Rhetorik und Präsentation sowie fehlende internationale Praxiserfahrung. In längeren Berufsschulphasen sollten dabei neben neuen inhaltlichen Schwerpunkten (wie etwa Kommunikation, Konfliktlösung oder psychologisches Verhalten) verstärkt bundesweite Standards durch Einführung verpflichtender Zertifikate in den Fremdsprachen und der Computerausbildung die Arbeitsmarktchancen der Lehrlinge im internationalen Vergleich erhöhen. Die duale Ausbildung sollte nach Einschätzung der befragten Unternehmen insgesamt vier Jahre dauern. Zudem sollte im Abschlussjahr ein verpflichtendes Auslandssemester erfolgen. Außerdem könnten während des Abschlusssemesters an der Berufsschule jeweils ein Sprachen- oder Computerzertifikat sowie (optional) weitere Abschlüsse, wie etwa für den späteren Schritt in die Selbstständigkeit, erworben werden. Und die Betriebe wünschen sich auch die Einführung einer Praxisrotation, was bedeuten würde, dass Lehrlinge jedes Ausbildungsjahr den Betrieb wechseln, um möglichst viel Erfahrung, also ?Training on the Job?, zu sammeln. In einem Punkt sind sich jedoch alle Befragten ? trotz aller Probleme, die angesprochen wurden ? aber einig: Die duale Ausbildung ist ein erfolgreiches Bildungskonzept, das internationales Ansehen genießt und beibehalten werden soll. Und das ist auch gut so!