Hautärzte warnen seit Jahren, Sonnenbäder seien alles andere als ungefährlich. Falten sind noch die harmloseste Spätfolge. Diverse Arten der UV-bedingten Hautalterung lassen die Körperoberfläche rau, trocken und verhärtet aussehen, auch verschiedene Formen des Hautkarzinoms werden auf zu viel Sonnenlicht zurückgeführt. Menschen, die im Umgang mit UVA- und UVB-Strahlen vorsichtig sind, werden aber durch neue Studien verunsichert. Wissenschaftler sind überzeugt, dass viele Mittel- und Nordeuropäer an einem massiven Mangel an Vitamin D leiden. Und langfristig Gefahr laufen, ernsthaft zu erkranken.
Neue Erkenntnisse
Der Einfluss von Vitamin D auf die Gesundheit wurde lange unterschätzt. Seit Beginn der Nährstoff-Forschung waren die Ärzte der Meinung, dass das Vitamin eigentlich nur für Stabilität der Knochen und im Kampf gegen Rachitis eine Rolle spielt. Auch die Pharmaindustrie war in an der Erforschung der Substanz nur wenig interessiert. Vitamin D ist in der Herstellung und im Verkauf sehr günstig, die Medikamentenproduzenten können sich also keine großen Gewinnspannen erwarten. Erst seit einiger Zeit wird uns klar, dass in dem Knochenvitamin wesentlich mehr steckt, als man je gedacht hat. Immer mehr Studien lassen den Schluss zu, dass es einen Zusammenhang zwischen Vitamin D-Mangel und Stoffwechselbeschwerden, Bluthochdruck, Schlaganfällen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt. Auch bei der Entstehung einiger Krebserkrankungen könnte die Unterversorgung mit dem Sonnenvitamin eine Rolle spielen.
Millionen Menschen betroffen
Neuesten Forschungen zufolge ist der Vitamin D-Mangel ein Massenphänomen. ?So weisen zum Beispiel 50 bis 60 % der älteren Menschen in Europa einen unzureichenden Vitamin-D-Status auf?. sagt ao. Univ. Prof. Dr. Harald Dobnig von der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin an der medizinischen Universität Graz. Besonders problematisch ist die Situation bei Personen, die sich zu wenig im Freien aufhalten und kaum Vitamin-D-Lieferanten auf ihrem Speiseplan haben. ?Kalzium und Vitamin D sind für die Knochengesundheit wichtige Mikronährstoffe und sollten bereits im Kindesalter in ausreichender Menge aufgenommen werden. Bereits 40 % der jungen Erwachsenen sind nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt. Ältere Menschen stellen eine besondere Risikogruppe dar, weil mit der Zeit die Fähigkeit nachlässt, die wertvolle Substanz selbst herzustellen. Aber nicht nur Kinder, Kranke, und Senioren sind vom Mangel betroffen. Auch viele Erwachsene haben einen zu niedrigen Vitamin D-Spiegel. Eine von Dobnig durchgeführte Analyse der von Prof. Winfried März in Ludwigshafen erstellten LURIC Studie (Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health Study) hat ergeben, dass rund die Hälfte der über 3.200 Patientinnen und Patienten ? (Durchschnittsalter 62 Jahre) einen reduzierten Vitamin-D-Spiegel aufweist. ?Es gab deutliche Zusammenhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten und erhöhter Gesamtsterblichkeit, erhöhter Neigung zu Schlaganfällen, Krebserkrankungen sowie kardiovaskulärem Risiko? erklärt der Wissenschaftler seine Erkenntnisse.
Sonnenbäder und fette Fische
Der Mensch hat zwei Möglichkeiten, seinen Bedarf an Vitamin B zu decken. Er kann es durch die UVB-Strahlen des Sonnenlichts selbst in der Haut bilden oder es über Lebensmittel zuführen. Eine ausreichende Zufuhr durch Nahrung ist schwierig, weil nur wenige Lebensmittel nennenswerte Mengen an Vitamin D enthalten. In der Nahrung kommt Vitamin D fast nur in Eidotter, Milch und Milchprodukten sowie fettem Fisch wie Thunfisch, Makrele, Hering, Lachs und Forelle vor ? und auch da nur in ziemlich geringen Mengen. ?Das bedeutet, dass Sie pro Woche beispielsweise 1,4 kg Thunfisch oder 60 Eier essen müssten, um die empfohlene Zufuhr von Vitamin D pro Tag zu erreichen,? so der Endokrinologe. Wer glaubt, den ernährungsbedingten Mangel leicht durch Sonnenbäder ausgleichen zu können, irrt. Die Haut produziert nur in den Sommermonaten ausreichend Vitamin D. Das liegt aber nicht daran, dass man in den kalten Monaten praktisch den ganzen Körper bedeckt hat. Das schmale UV-B Spektrum, das für die Produktion von Vitamin D verantwortlich ist, wird durch den flachen Sonnenstand in den Herbst- und Wintermonaten praktisch herausgefiltert. Mittel- und Nordeuropäern ist es aufgrund der geografischen Lage von November bis März nicht möglich, Vitamin D in der Haut zu bilden.
Kein Freibrief zum Rösten
Auch in der warmen Jahreszeit bekommen viele Menschen nicht genug Sonnenlicht. Gerade Personen mit sensibler Haut schützen ihre Haut mit Sonnenschutzmitteln und oft auch mit starken Sunblockern. Durch Produkte mit hohem Lichtschutzfaktor dringt kein UVB-Licht an die Haut, daher wird auch kein Vitamin D produziert. Das heißt aber nicht, dass man wieder stundenlang in der Mittagshitze rösten soll. ?Man sollte nichts übertreiben, auch die Sonnenflucht nicht. Wichtig ist ein vernünftiger Umgang. Die Haut produziert auch dann Vitamin D, wenn man sich im Schatten aufhält." Überhaupt hängt der Sonnenbedarf vom Hauttyp ab. ?Hellhäutige sollen kürzer an die Sonne gehen, dunkelhäutige länger.? Auch, weil braunere Haut mehr Melanin enthält, einen natürlichen Sonnenschutz, und deshalb mehr UV-B-Licht braucht. ?Ich glaube, ein ungeschütztes Sonnenbad von etwa 15-20 Minuten wird keinem Schaden zuführen. Das sind natürlich nur ungefähre Angaben.? Zwischen Mai und September jeden Tag im Freibad zu liegen ist übrigens nicht nötig. Nach dem Sonnenbad hält der erhöhte Vitamin D-Spiegel im Blut etwa eine Woche.
Tropfen statt Sonnenbrand
Sonnenempfindliche müssen auf ihren Sunblocker trotzdem nicht verzichten und Falten und Sonnenbrand im Dienst des Vitamins riskieren. ?Man kann trotzdem Sonnencreme verwenden. Man kann Vitamin D ja auch sehr ungefährlich in Form von Tropfen zu sich nehmen, wenn die Dosierung vernünftig ist.?
Vitamin D-Dosierempfehlung von a.o. Univ. Prof. Dr. Harald Dobnig.
Der derzeitige Stand der Literatur kann in folgender Empfehlung zusammengefasst werden: die tägliche Verabreichung von 1000 IE Vitamin D3 ist eine für den Erwachsenen (und dies gilt das ganze Jahr hindurch) absolut sichere Substitutionsdosis [1]. Wenn man sich für diese Dosierung entscheidet, könnte dabei je nach Präferenz Vitamin D3 täglich, oder 1x wöchentlich (etwa 7000 IE), oder 1x monatlich (etwa 30.000 IE) verabreicht werden.
SPA WORLD Business, Ausgabe 3/2009