Betritt ein Gast das Haus, entscheidet er innerhalb ein paar weniger Minuten, ob es ihm gefällt. Diese kurzeZeitspanne muss das Marketing zu nutzen verstehen, es muss in der Lage sein, alle Sinne des Gastes anzusprechen, und das auf positive Weise. Ein zentraler Sinne dabei ist der Geruchssinn. Als einziges Medium erreicht der Duft ungefiltert und unmittelbar das limbische System,jenen Ort im Gehirn, der für die Emotionen verantwortlich ist und nahe dem für die Erinnerung zuständigen Hirnareal liegt. Somit lassen sich Eindrücke über Düfte besser verankern als über andere Sinnesreize. Beim Betreten eines Hotels ist der Duft wesentlich für die Erstreaktion des Gastes. Die gute Architektur, Farben, Materialien oder Licht werden erst anschließend wahrgenommen und im Gehirn verarbeitet. Sollte der Duft daher nicht passen oder als nicht angenehm empfunden werden, muss der negative Ersteindruck kompensier werden – und das ist fast nicht mehr möglich
Den Duft wahrnehmen – wann man will und wo man will
Duft ist ein sehr sensibles Medium. „Duftstoffe wirken auf zweierlei Weise“, so Hans Hatt, Professor für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität in Bochum. „Zum einen werden sie über die Atmung und über die Haut in den Blutstrom kanalisiert und wirken dort gefäßerweiternd. Ein Beispiel dafür ist Rosmarin. Andere Düfte wirken im Gehirn wie Medikamente. Beispiele dafür sind alle fruchtigen, grapefruitähnlichen Düfte, die mitunter den gleichen Effekt haben können wie Valium“, so der Forscher. Robert Müller-Grünow von scentcommunication leitet daraus die Notwendigkeit ab, Düfte immer passend zum Einsatzgebiet, zur gewünschten Wirkung zu wählen. „Für einen gelungenen Dufteinsatz ist wichtig, dass der Duft zu den visuellen, akustischen und haptischenGestaltungselementen im Haus passt. Auch sind die technischen Lösungen, die exakte Dosier- und Steuerbarkeit entscheidend für eine erfolgreicheVerwendung.“ Nicht jeder Gast möchte immer und überall beduftet werden. „Düfte tun den FunctionRooms, dem F&B-Bereich, den Aufzugskabinen, Fluren und Zimmern gut. Speziell bei Letzteren ist es aber notwendig, dass der Gast die Möglichkeit hat, den Duft selbst zu steuern, vor allem die Dosis“, so Müller-Grünow.
Pflaume versus Chlor
Speziell im Gesundheits-, Wellness- und Poolbereich spielen Düfte eine wesentliche Rolle. Anregend wie die Pflaume bis entspannend wie Sandelholz sollen die Duftnoten sein, vor allem auch, um den Geruch nach Chemikalien, wie er im Wellnessbereich oft vorherrscht, zu übertünchen. „Ganz wird man den Chemiegeruch nie wegbringen. Das muss auch nicht sein“, meint Duftexpertin Cristin Harrer, „weil diese ‚Reinigungsgerüche‘ mit Sauberkeit und damit einhergehend auch mit Sicherheit assoziiert werden.“Wobei jedoch andererseits Chlorgeruch verursacht durch die Wasseraufbereitung heute nicht mehr sein sollte und ein Zeichen für Überchlorierung ist, die unbedingt vermieden werden sollte. Bei Therapieanwendungen sind Düfte unumgänglich. Düfte unterstützen die Linderung von körperlichen und seelischen Beschwerden augenblicklich. Harrer: „Düfte lassen sich auch kombinieren, allerdings muss man wissen, welche Düfte zusammenpassen. In allen medizinischen Räumen und im Spa würde ich zunächst auf Öle mit einem Einzelwirkstoff setzen und erst dann Wirkstoffkombinationen ausprobieren.“ Kenntnisse über die Duftnoten sind hierbei entscheidend. Neben der leichten, hellen, beruhigenden Kopfnote eines Duftes (z. B. Zitrone) gibt es die ausgleichende, sinnliche Herznote (z. B. Blüten) und die kräftigende, stabilisierende Basisnote, die dabei hilft, aufzutanken und Energie zu speichern. Alle Holz- und Wurzeldüfte sind den Basisnoten zuzuordnen. Für Harrer ist darüber hinaus auch das Schlafzimmer ein sensibler Ort, geht es um den Duft. „Ich setze Düfte mit beruhigender Wirkung ein wie Lavendel oder Rose, aber auch die sinnlich anregenden Noten von Jasmin und Zimt oder die harmonisierenden Düfte von Myrte, Rose und Vanille.“.
Der Duft, der passt
„In der Hotellerie lassen sich Düfte vielfältig einsetzen. Wichtig sind der Eingangsbereich und die Lobby. Optimal ist es, wenn der Duft Wiedererkennbarkeitswert hat und perfekt zum Hotel und zur Zielgruppe passt, Architektur und Design ergänzt, individuell zuzuordnen und dezent wahrnehmbar ist.“
Selbsternannte Duftexperten
Wer für den Duft im Hotel zuständig ist, scheint oft nicht klar zu sein. Die ärztlich geprüfte Aromapraktikerin Ursula Kutschera kritisiert, dass die Aromapraktiker dem Gewerbe der Energetiker zugeordnet sind. „Dies führt leider dazu, dass kein Ausbildungsnachweis vorgelegt werden muss. Menschen, die nicht wissen, wie sie mit dem Duft umgehen sollen, können viel falsch machen.“ Nicht jeder Duft ist für jeden Menschen geeignet. Robert Müller-Grünow hat die Erfahrung gemacht, dass alle möglichen Fachkräfte im Hotel für den Duft verantwortlich zeichnen. „Der Hoteldirektor glaubt ebenso ein Duftexperte zu sein wie der Marketingverantwortliche und manchmal ist es auch der Housekeeper“, so Müller-Grünow. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, beim Duft danebenzugreifen. „Die Intensität des Duftes, der Einsatz eines nicht passenden Duftes, schlechte Technologien, wie z. B. ein sichtbarer Nebel, der sich ablagert und die Oberflächen kontaminiert“, zeigt Müller-Grünowals Beispiele für Fehler auf. Wer einmal zu lange auf den Dufthebel gedrückt hat, der sollte versuchen, das Zuviel wieder loszuwerden. Eine Erste-Hilfe-Maßnahme dafür ist gemahlener Kaffee, der Gerüche neutralisiert und absorbiert.
Ausbildungsmöglichkeiten zum Duftexperten
In Österreich gibt es eine Fülle an Ausbildungsmöglichkeiten zum Duftexperten:
GESU– Institut für Gesundheitsberufe. www.gesu.at
Manus Massageschule. www.manus.at
Ingrid Kleindienst-John. www.aromaexperten.at
Ingrid Karner. www.aromainfo.at
Produktvertrieb:
Mag. Tina Krupalija/Brigitte Gohm - www.feeling.at
Tina Sumser.www.aroma-arte.com
Eine der führenden Expertinnen in Sachen Aromatherapie – Eliane Zimmermann – bietet ihre Kurse nur noch in Deutschland an.
Auch einige Vereine setzen sich mit dem Thema Aromatherapie und Aromapflege auseinander. Dazu gehören die Österreichische Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege (www.oegwa.at) sowie die Vereinigung für Aromapflege und gewerbliche Aromapraktiker.
Die verführerische Rose
Obwohl Düfte schöne Erlebnisse bieten, haben Menschen auch Angst davor. Es geht um die Manipulation durch Duft, die durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Ein und derselbe Duft kann bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Emotionen und Reaktionen auslösen. Gerüche sind ein starker emotionaler Anker, egal ob für schöne oder schlechte Gefühle, die mitunter zu massiven körperlichen Reaktionen,sogar bis hin zu Panikattacken führen können. Ganz zu schweigen von allergischen Reaktionen, Kopfschmerzen oder Beeinträchtigungen des Blutdrucks. Negative Reaktionen auf unangenehme Düfte fallen stärker aus als positive Reaktionen auf angenehme Düfte. Eine Beduftung knapp über der Wahrnehmungsgrenze erzielt die beste Wirkung, und daher gilt: Weniger ist mehr. Dessen muss sich die Marketingabteilung bewusst sein. Produkte mit Duft verkaufen sich besser. Das gilt, solange der Duft authentisch ist. Wenn etwas plötzlich gut riecht, das nie riechen würde, wie z. B. eine Zahnbürste, dann fehlt die Glaubwürdigkeit. Und das nimmt der Kunde übel. Vor allem Hotelketten versuchen, ihre Kunden auch über den Duft zu binden. Damit das gelingt, muss die Marke eindeutig positioniert sein und es muss gelingen, (auch) über den Duft ein ganzes Lebensgefühl zu vermitteln. Das Gefühl eben, für das das Haus steht.
Einfühlsame Duftexperten
„Will sich das Hotelmanagement mit dem Thema Duft beschäftigen, so empfiehlt es sich, auf die richtigen Mitarbeiter zurückzugreifen. Ausgebildete Aromapraktiker bieten sich hierbei an, die dann gemeinsam mit einem Mitarbeiter aus dem Hotel – meist aus dem Wellnessbereich – ein Duftkonzept entwickeln. Menschen, die sich mit dem Thema Duft beschäftigen, verfügen in der Regel über einen ausgezeichneten Geruchssinn, sind einfühlsam und naturverbunden.“
Griff zum Bioöl
„Düfte wirken entspannend, belebend, sinnlich stimulierend und schaffen Oasen im Alltag. Wichtig ist, dass es sich um naturreine, ätherische Öle handelt. Preiswerte Duftöle sind oft synthetisch hergestellt, darauf weist beispielsweise die Bezeichnung ,naturidentisch‘ hin. Ich empfehle die Verwendung von Bioölen. In ätherischen Ölen, die aus Pflanzen aus konventionellem Anbau gewonnen werden, könnten Pestizid-Rückstände enthalten sein.“
© WELLNESS WORLD Business 05/2012