Aber auch bei heftigeren Beschwerden, wenn Fiebermittel oder Antibiotika angezeigt sind, wendet man adjuvant, unterstützend, zur Linderung der Symptome mit Erfolg pflanzliche Arzneien an. In Österreich werden für die Behandlung von Atemwegserkrankungen in der Volksmedizin über 80, in Präparaten, die als Arzneimittel zugelassen sind, immerhin mehr als 50 unterschiedliche Pflanzenarten eingesetzt!
Aus dem beheizten Auto hinaus in die nasse Kälte eines Wintertags, zu langes Warten auf die Straßenbahn, nicht warm genug gekleidet fürs Skifahren ? und plötzlich spürt man die gut bekannten Zeichen einer ?Verkühlung? , einer ?Erkältung?. Besonders dann, wenn die körpereigene Abwehr in derartigen Belastungssituationen nicht stark genug ist, um die häufigste Ursache solch ?banaler Infekte?, nämlich Viren, sofort wirkungsvoll zu bekämpfen, kommt es zu entzündlichen Veränderungen an den Schleimhäuten der oberen Atemwege (Rhinitis, Sinusitis, Pharyngitis, Laryngitis, Tracheitis, Bronchitis oder Mischformen). Besonders bei Nichtbeachtung der Symptome können sich zusätzlich bakterielle Infektionen und Komplikationen einstellen, die dann vom Arzt z. B. den Einsatz von Antibiotika erfordern.
Zur Behandlung von Atemwegserkrankungen sind pflanzliche Arzneimittel deshalb besonders gut geeignet, weil die einzelnen Pflanzen bzw. die daraus gewonnenen Arzneidrogen und Zubereitungen nicht nur eine einzelne Wirksubstanz (wie etwa einen synthetischen Arzneistoff) enthalten, sondern immer eine Mischung vieler Substanzen, einen ?Arzneistoffcocktail?. Je nach Pflanzenart finden sich darin immunstimulierende, entzündungshemmende, antibakterielle, antivirale, sekretolytische, sekretomotorische oder reizmildernde Stoffe kombiniert, die in ihrer Gesamtheit die erwünschte günstige Wirksamkeit bringen.
Vorbeugen ist besser ?
Zur Verminderung der Anfälligkeit gegenüber ?grippalen Infekten? durch Stärkung des körpereigenen Immunsystems haben sich Präparate aus Echinacea (Abb. 1), deren Wirksamkeit in vielen Studien gezeigt werden konnte, sehr bewährt: Infekte treten weniger häufig auf, wenn es aber doch zu einer Erkrankung kommt, werden die Symptome deutlich gemildert. Als Hausmittel wird bei uns seit eh und je gerne der Saft aus den reifen Beeren des Schwarzen Holunders angewendet: mehrmals täglich ein Esslöffel des verkochten Saftes zur Vorbeugung. Durch Studien mit modernen Präparaten ist dafür inzwischen eine antivirale Wirkung belegt ? zumindest eine erste plausible Erklärung für die Wirksamkeit!
Doch eine Erkältung!
Kündigt sich aber eine Verkühlung an, sollte man rasch reagieren. Mit einfachen Maßnahmen lässt sich oft eine Verschlimmerung verhindern, z. B. durch ?Erkältungstees? (Lindenblüten, Holunderblüten, Mädesüß (Abb. 2), Weidenrinde ? ?pflanzliches Aspirin?, allein oder in Teegemischen; vgl. z. B. Kasten), bei stabilem Kreislauf in Verbindung mit einer Schwitzkur oder mit einem warmen Bad und anschließender Bettruhe.
Beispiel für einen bewährten Erkältungstee, der auch für Kinder gut geeignet ist:
Rezept:
Tiliae flos conc.(Lindenblüten) 70,0
Spiraeae flos conc. (Mädesüßblüten) 10,0
Menthae pip. fol. conc.(Pfefferminzblätter) 15,0
Aurantii pericarpium conc. (Bitterorangenschalen) 5,0
D.S. Erkältungstee
1 Esslöffel Teemischung mit 150 ml kochendem Wasser überbrühen und 10 min. ziehen lassen. Mehrmals tgl. eine Tasse sehr warm trinken.
Aus der südafrikanischen Volksmedizin stammt die Anwendung der Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides): Ein aus den Wurzeln industriell hergestelltes Präparat ist seit kurzem in Österreich aufgrund traditioneller Anwendung für die Indikation Erkältungskrankheiten registriert.
Ätherische Öle: angenehm und heilsam
Auch die Inhalation (mittels Inhalatoren, Duftlämpchen oder in der herkömmlichen Art) bringt Milderung der Beschwerden, wenn man einige wichtige Punkte beachtet, v. a.: nicht zu heißes Wasser (Schädigung der Schleimhaut, Verbrühungsgefahr bei Kindern!), nicht zu hohe Konzentration an ätherischem Öl (Schädigung statt Anregung der Flimmerhärchen auf der Schleimhaut!). Schon Konzentrationen an ätherischen Ölen, die man geruchlich noch nicht einmal wahrnimmt, erhöhen die Aktivität des Flimmerepithels! Dieses ist für den Abtransport von Fremdkörpern, v. a. aber auch Schleim, ganz wichtig. Es empfiehlt sich die Anwendung von Arzneidrogen, weil daraus das darin enthaltene ätherische Öl langsam freigesetzt wird, evt. unter Zusatz von wenigen Tropfen anderen ätherischen Öls. Geeignet sind besonders Kamille, Pfefferminze, Thymian, Latschenkiefer- oder Eukalyptusöl (Abb. 3, 4), die man wegen ihrer entzündungshemmenden oder kühlenden und sekretlösenden Eigenschaften abwechselnd einsetzen kann.
Hals, Nase
Kratzt der Hals, empfehlen sich Lutschpastillen mit Extrakten aus Eibischwurzel (Abb. 5), z. B. Eibischteig, oder aus Isländischem Moos (Abb. 6). Diese beiden Arzneidrogen verwendet man auch für reizmildernde Tees und Gurgellösungen; ausnahmsweise werden sie aber zur Teeherstellung nicht mit heißem Wasser, sondern durch Ansetzen mit Wasser bei Zimmertemperatur und Stehenlassen für ein bis drei Stunden extrahiert. Anschließend Abseihen und vor dem Trinken/Gurgeln schwach erwärmen.
Zur Verflüssigung von zähem Schleim bei Katarrhen der Atemwege, besonders wenn die Nasennebenhöhlen betroffen sind, haben sich u. a. Mischpräparate nach Rezepturen aus der Volksmedizin sehr bewährt. Heute stellt man industriell Präparate mit hoher, gleichbleibender Qualität her, die in vielen Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit geprüft wurden. Sie enthalten z. B. Auszüge aus Enzianwurzel, Ampferkraut, Holunderblüten, Schlüsselblumenblüten und Eisenkraut und werden in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verschreibung verwendet.
Hustenreiz mildern, Husten als Abwehr erleichtern
Behandelt man Bronchitis (Entzündung der Bronchialschleimhaut) und Husten, begünstigt durch Kälte und Rauchen, frühzeitig, so können Phytotherapeutika allein ausreichen, bei fortgeschrittenen und chronischen Formen erweist sich eine unterstützende ?pflanzliche? Behandlung als sinnvoll. Der lästige Hustenreiz bei trockenem Husten kann durch Schleimdrogen gemildert werden, besonders bewähren sich Eibischwurzel, -blätter, Huflattichblätter, Spitzwegerichblätter, Malvenblätter, -blüten und Isländisches Moos (?Kramperltee?) als Tee oder in Präparaten (Lutschpastillen, Sirupe, Hustensäfte).
Die Symptome von produktivem Husten (Verschleimung mit erschwertem Abhusten) lassen sich durch Expektorantien (auswurffördernde Mittel) beeinflussen: Verflüssigung des Schleims durch Sekretolytika und beschleunigter Abtransport durch Sekretomotorika bringen hier Besserung. Ein große Palette von Phytotherapeutika bietet sich an: einerseits Arzneidrogen mit ätherischem Öl bzw. daraus destillierte ätherische Öle selbst (Anisfrüchte, Eukalyptusblätter, Fenchelfrüchte, Fichten-, Kiefernadeln, Pfefferminzblätter, Quendelkraut (Abb.7), Thymianblätter u.a.), andererseits Saponindrogen (z. B. Efeublätter, Primelwurzel, Senegawurzel, Süßholzwurzel). Zur expektorierenden Wirkung kommen bei manchen dieser Arzneidrogen zusätzlich gute spasmolytische (krampflösende), antiphlogistische (entzündungshemmende) und antibakterielle Qualitäten.
Die meisten der angeführten Pflanzen werden ja schon seit Jahrhunderten mit Erfolg angewendet, herkömmlich in Form von Arzneitees, in großer Auswahl auch zur Selbstmedikation unter Beratung von Arzt oder Apotheker. Je nach Vorliebe verwendet man zur Teebereitung ?Löstees? oder Teedrogen (einzeln oder als Gemische, bewährte Rezepturen werden in der Apotheke gemischt; vgl. auch die von der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie empfohlenen Husten- und Bronchialtees: www.phytotherapie.at, unter ?Arbeitsgruppen?). Flüssigextrakte ??Tropfen? oder Hustensäfte, Sirupe ? und andere, industriell hergestellte Arzneiformen (Tabletten, Dragees, Kapseln) bieten weitere Möglichkeiten für eine praktische Applikation auch während des Tages.
Arzneipflanzenforschung
Dass die Arzneipflanzenforschung immer wieder neue, nicht nur für den Wissenschafter, sondern auch für die Anwender wichtige Ergebnisse bringt, sollen zwei Beispiele (von vielen!) zeigen. Im guten alten Hustenmittel Huflattich (Abb. 8, 9) entdeckte man in den 1980er Jahren toxische Alkaloide, die im Tierversuch in hohen Dosen und bei lang dauernder Applikation Leberschäden und Krebs auslösen können. Bei der Anwendung als Hustentee sind noch nie Schäden beobachtet worden; offensichtlich deshalb, weil die in der Pflanze enthaltenen Mengen meist sehr gering sind. Trotzdem empfiehlt sich das Selbstsammeln von Huflattich nicht! In Österreich hat man vorsorglich die Verwendung von Huflattich als Arzneimittel verboten. Ausnahmen: Huflattich, der keine nachweisbaren Mengen an Pyrrolizidinalkaloiden enthält (und bestimmte homöopathische Zubereitungen). Konsequenz: Durch Forschung an der Universität Wien kann man heute ?giftfreien? Huflattich ( ?Sorte Wien?) anbauen und ernten, der für die Herstellung von Tees oder Fertigpräparaten als Hustenmittel wieder zur Verfügung steht.
Als zweites Beispiel sei der schon im Altertum als Arzneipflanze bekannte Efeu (Abb. 10) angeführt: Neuere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die gute expektorierende und spasmolytische Wirksamkeit als Hustenmittel durch eine Reihe von Wirkstoffen mit ganz unterschiedlicher chemischer Struktur zustande kommt. Mit diesen aus Efeu isolierten Reinsubstanzen wurden In-Vitro-Untersuchungen an Zell- und Rezeptormodellen durchgeführt, welche die Wirkmechanismen plausibel erklären. Extrakte aus Efeublättern werden heute nach standardisierten Verfahren hergestellt und stehen in modernen Arzneiformen als Hustentropfen, alkohol- und zuckerfreie Säfte, Brausetabletten etc. zur Verfügung. Studien an tausenden Patienten belegen inzwischen die ausgezeichnete Wirksamkeit und gute Verträglichkeit, auch bei Kindern.
Je nach Beschwerden und Krankheitsbild können also pflanzliche Arzneimittel bei leichten Atemwegsbeschwerden alleine zur Behandlung genügen oder sie werden ? bei schwereren Formen ? unterstützend neben anderen Therapiemaßnahmen eingesetzt. Prinzipiell sollte man schon die ersten Anzeichen einer Erkältung ernst nehmen und sie nicht übergehen sowie bei anhaltenden Beschwerden selbstverständlich ärztliche Hilfe suchen!
Informationen zu Phytotherapie:
Österreichische Gesellschaft für Phytotherapie, www.phytotherapie.at
Gesundheit aus der Naturapotheke, Länger, Schiller; Springer Wien New York 2004
Leitfaden Phytotherapie, Schilcher, Kammerer, Wegener, Urban & Fischer, München, 3. Aufl. 2007
Phytokodex, Pflanzliche Arzneispezialitäten in Österreich, Länger, Kubelka, ÖÄK-Verlag, Wien 2001Gesundheit
Autor: Univ. Prof. Dr. Wolfgang KUBELKA, Dept. f. Pharmakognosie, Universität Wien