Was damals noch eine Art Rehabilitation war, um Menschen, die irgendeine Art von Schwäche zeigten, wieder auf ein Niveau zu heben, das ihnen ein leichteres Leben erlaubt, ist heute ein gesellschaftlicher Fixpunkt. Das Fitnessstudio ist zu einer Drehscheibe für alle möglichen sportlichen Phantasien geworden, vom Bodybuilding bis zum normalen Kraft-Ausdauer-Training, vom Aerobic bis zu Streetdance, vom Yoga bis zum Spinning. Hinzu kommt, dass das Fitnessstudio auch eine soziale Komponente erhalten hat, man geht trainieren, um Leute kennen zu lernen, Freunde zu treffen, um nach dem Workout an der Lounge-Bar noch einen Eiweiß-Shake zu sich zu nehmen. Das Angebot scheint vollständig zu sein, wohin also kann sich die Branche noch entwickeln?
Motivation Golden Age
Eine bedeutende Zielgruppe, so Dr. Müller, seien die Senioren. Einige ältere Menschen gehen zwar schon heute ins Fitnessstudio, sie seien aber neben den herkömmlichen Zielgruppen, also jenen, die Sport für die Figur bzw. aus Körperbewusstsein machen, und jenen, die für den Leistungssport wie den Marathon-Lauf trainieren, nur eine Randerscheinung. Aus gesundheitspolitischer Sicht wird es über kurz oder lang notwendig sein, mehr Senioren zu motivieren, sei es für die Prävention und Beibehaltung der körperlichen Fähigkeiten oder aber auch für Rehabilitationszwecke. Dr. Müller unterstreicht, dass die Branche hier Lösungen finden kann und muss. Die Scheu davor muss abgelegt werden, denn wenn man sich die Alterskurve und die dazugehörigen Prognosen ansieht, wird der Bedarf immer größer.
Leistungssport sei es, was auf diese Generation zukomme, betont Müller. Die Sarcopenie, der altersbedingte Muskelabbau, brauche besonderes Training. Ebenso wie das Bewusstsein bei älteren Menschen steigt, sollten Betreiber für die Zielgruppe der 60 bis sogar 90jährigen gerüstet sein. Ob dafür spezielles Personal geschult wird oder ? wie bereits in Frauenfitnessstudios ? eine Spezialisierung stattfindet, scheint Sache des Geschmacks zu sein.
Blase Trends
Die unterschiedlichen Betreiber werben mit Trendsportarten, die die Exklusivität und somit auch den Zulauf erhöhen sollten. Prof. Zellmann merkt dazu ernüchternd an, dass es wichtig sei am aktuellen Stand zu sein, weil es tatsächlich der Attraktivität eines Studios hilft. Sich davon Umsatzsteigerungen zu erwarten, sei nicht den Tatsachen entsprechend. Laut Zellmann zeigen die Mitgliederzahlen von Studios eine Konstante, das heißt, Zugänge und Abgänge halten sich die Waage. Derzeit, so Zellmann, könne aufgrund der Wirtschaftskrise generell ein Rückgang verzeichnet werden. Viele Menschen erinnern sich wieder, dass sie auch Laufen gehen können, was außer den Ausgaben für die Ausrüstung nichts kostet. Was das Trainingsangebot anbelangt, so Dr. Müller, könne nicht mehr viel gemacht werden. Das, was Studios heute anbieten, sei ein gut gebündelter Auszug aus verschiedenen sportlichen Möglichkeiten. Das einzige, das hier zu berücksichtigen ist, aber ohnehin schon umgesetzt wird, ist am neuesten Stand der technischen wie sportwissenschaftlichen Entwicklungen zu bleiben.
Lebensstil- und Lebensberatung
Persönliche Entwicklung ist etwas, worauf immer mehr Wert gelegt wird. Zahlreiche Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern Fortbildungsseminare. Viele Menschen zahlen gerne aus der privaten Kasse, um vorwärts zu kommen und Altes hinter sich zu lassen. Wäre das nicht eine gute Kombination für die Zukunft, so als geistige und seelische Fitness gesehen? Peter Zellmann lächelt. Ja, meint er, das wäre eine tolle Symbiose. Auch Dr. Müller sieht darin eine Chance, den immer auffallender werdenden Zahlen von Sportsüchtigen, also jenen, die jeden Tag harten Sport brauchen und sich verausgaben müssen, etwas entgegenzuhalten. An manchen Studios ist die Möglichkeit auch außerhalb der herkömmlichen Fitness etwas für sich zu tun, bereits jetzt schon angekoppelt, z.B. in Form von Ärztezentren und Ernährungsberatung. Zellmann sieht hier aber das Problem, dass diese Dienstleistungen "outgesourct" werden. Dadurch wird das Angebot von Kunden einerseits als getrennt von den Leistungen des Studios wahrgenommen und andererseits identifizieren sich die Betreiber mit diesem Service nicht.
Kostenbewusstsein schaffen
Bereits heute zeigen sich schon zwei Arten von Studios. In Billigstudios werden in einem großen Raum Geräte aufgestellt, die nicht von Trainern betreut werden, die Duschen und sonstige Annehmlichkeiten ? sofern vorhanden ? sind nur gegen Aufpreis zu benützen. Die hochpreisigen Studios bieten eine Rundumbetreuung. Hier stehen Trainer zur Verfügung, die nicht nur gegen Bezahlung als personal trainer die korrekte Anwendung der Geräte erklären und mit kleinen Programmen aushelfen. Die Dienstleistungen solcher Studios beinhalten auch einen angenehmen Spa-Bereich, in dem nach dem Sport noch entspannt werden kann. Ein gutes Studio, so Zellmann, beschäftigt gute und ausreichend viele Trainer, es bietet etwas Komfort. Aber, diese Studios sind austauschbar. In den Luxus zu investieren und sich an Trends festzuhalten bringe reichlich wenig. Viel gewinnbringender sei es, so schlägt er vor, den Kunden ein Kostenbewusstsein zu vermitteln. Gute Ware kostet Geld. Personal, das gut ausgebildet ist und Hilfestellung anbietet, genauso wie die Ausstattung und Erhaltung. Es sei also wichtig, in Werbemaßnahmen nicht nur auf die Verpackung oder den Status eines Studios zu Wert zu legen, sondern auch zu rechtfertigen, warum gewisse Preise verlangt werden. Stimmt der Inhalt, ist der Preis oft kein Problem.
Weiters sieht Zellmann eine Chance dahingehend, das personal training auszubauen. Auch hier komme es stark auf den Kosten-Nutzen-Faktor an. Eine Trainerstunde bzw. eine Beratungsstunde kann irrsinnig viel verändern, der Preis, der meist im Vordergrund steht, könne durch gesteigertes Qualitätsbewusstsein nach hinten gedrängt werden. Und das selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise, denn genau da schauen die Menschen, was in der Packung drinnen ist.
Fazit: Qualitätsoffensive, was die Werbung anbelangt, Spezialisierung, was die Klientel betrifft und Erweiterung des Begriffs Fitness auf geistig seelische Ebenen sind ein gutes Erfolgsrezept für die Zukunft.
SPA WORLD Business, Ausgabe 5/2009