Schwimmbäder sind zu kleinen eigenen Ökosystemen geworden. Sei es die eher klassische kommunale Anlage oder die eines größeren Hotels: Das Hallenbad ist zu einem Ort geworden, an dem man sich lange aufhält und der an Bedürfnisse ganz unterschiedlicher Menschen angepasst werden muss. Hier spielt sich inzwischen deutlich mehr ab, als das Schwimmen im Becken und der anschließende Saunabesuch. Zusätzlich muss das Schwimmbad 2019 auch noch präsentabel für die Sozialen Medien sein. BäderarchitektInnen sind dabei verschiedene Wege gegangen, um all diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Bei der Gestaltung des Spa-Bereichs und der Schwimmbecken lassen sich dennoch Trends feststellen, die sich in Gebäuden aller Größen wiederfinden lassen.
Bei der Beckengestaltung gibt es oft auch 2019 an klassischen Fliesen kein Vorbeikommen. Vor allem Feinsteinzeug eignet sich wegen seiner geringen Wasseraufnahme und seiner Rutschfestigkeit für die Böden und Wände des Bades. Neben diesen eher funktionalen Vorteilen sind die Fliesen außerdem enorm wandelbar: Je nach Designidee ist Feinsteinzeug in vielen Farben verfügbar, so lassen sich Außen- und Innenbereich des Beckens gut aufeinander abstimmen. Vor allem mit Mosaik- oder Glasfliesen kann ein edler Look erzeugt werden, der vergleichsweise günstig zu haben ist. Deutlich teurer ist nämlich Naturstein, der sich aber zunehmender Beliebtheit erfreut. Der höhere Preis rechtfertige sich durch die große Natürlichkeit und Authentizität des Materials, ist sich René Pier vom Innenarchitekturbüro Schienbein & Pier sicher. „Im Grunde gibt es immer und für alles das passende Material. Die Industrie ist da sehr findig.“ Doch vor allem der Naturstein hat es dem Architekten neuerdings angetan. Quarzit liefere beispielweise eine natürlichere Haptik als herkömmliche Fliesen und halte außerdem den Angriffen von Chlor und Wasser gut Stand. Auch bei der Gestaltung von Decken und Interieur dominieren zunehmend natürliche Baustoffe wie Holzvertäfelungen. Holzwolle-Leichtbauplatten erfüllen außerdem noch perfekt die bautechnischen und akustischen Anforderungen eines Schwimmbads.
Natürliche Materialien sind gefragt und flexibel einsetzbar. Bei den Spa-Bereichen wird mehr und mehr der Natur vertraut. Hier können kostengünstige Imitate, also zum Beispiel der Versuch, eine warme Holzoptik mit Fliesen nachzuahmen, die Stimmung aktiv stören. „Leider kommen zunehmend Materialien auf den Markt, die auf den ersten Blick praktisch, aber in keiner Weise authentisch sind“, bedauert Ernst Ulrich Tillmanns, geschäftsführender Gesellschafter der 4a-Architekten, die in der Vergangenheit für zahlreiche Schwimmbadprojekte mit Spa-Bereich verantwortlich zeichneten. Zwar lasse sich natürliches Material oft täuschend echt nachbilden, die Haptik und Akustik von Holz oder Naturstein werde dabei aber nie erreicht. Tillmanns rät hier zum Minimalismus: „Meine Erfahrung ist, dass oftmals weniger, dafür aber gut aufeinander abgestimmte Materialien eine angenehme Atmosphäre schaffen.“ Und auch allgemein beobachtet Tillmanns einen Trend zur ruhigen und reduzierten Gestaltung von Bädern. Folglich gilt es, Reizüberflutung durch zu viele Designelemente zu vermeiden.
Ein Bad braucht eine nachvollziehbare Geschichte. Ein Punkt, der umso wichtiger wird, wenn man das Gesamtkonzept eines Bades in den Blick nimmt. Häufig folgt die Architektur hier einem Grundthema. Vor allem bei großen Thermen mit riesigen Badehallen finden BesucherInnen oft unter tropischen Palmen zusammen. Saunen wiederum wollen dagegen verstärkt den urtümlichen Charme der Alpen erwecken. Sollen Schwimmbecken und Spa-Anlagen dabei ein einheitliches Gesamtbild abgeben, müssen die Bereiche gut aufeinander abgestimmt werden. Denn das narrative Konzept eines Bades, das sogenannte „Story-Telling“, sei laut René Pier, Vorsitzenden des Bundes deutscher Innenarchitekten, bei der Planung inzwischen unerlässlich. „Die Hardware, die in den Bädern verbaut wird, ist mehr oder minder die gleiche geblieben. ‚Story-Telling‘ ist da fast die einzige Möglichkeit zur Diversifizierung.“ Um eine Geschichte umzusetzen, stehen viele Materialien zur Verfügung, natürliche oder künstliche, für großes und kleines Budget. Wichtig sei nur, dass ein einheitliches Konzept verfolgt wird. Und im Zweifel beim Material nicht gespart wird: „Wenn ich statt Naturstein alles aus Styropor schnitze, dann bricht das natürlich die Illusion“, ist sich Pier sicher. „Da ist es tatsächlich manchmal besser, zu sparen, als etwas falsch nachzubauen“. Gerade weil sich BesucherInnen zunehmend an die Eventisierung des Schwimmbades gewöhnt haben, ist ein authentisches Konzept, das auch zur Umgebung und zum Budget des Bades passt, umso wichtiger. Wichtiger, als bei einer Design-Weltreise möglichst viele Stile und Kulturen abzuklappern. Denn dann wird aus der Illusion ein Fake.
„Die Hardware ist mehr oder minder die gleiche geblieben. Story-Telling ist inzwischen fast die einzige Möglichkeit zur Diversifizierung“ – René Pier
Nachhaltigkeit ist die neue Norm. Doch nicht nur die aufwendige Inszenierung, auch die Nachhaltigkeit des Badespaßes ist zum Standard geworden. Wenn im Winter draußen minus 20 Grad herrschen und sich drinnen ein tropisches Klima darbietet, stellt sich die Frage nach der Umweltverträglichkeit der Besucherin ganz von selbst. Ebenso bei den Bauherren beobachtet Ernst Ulrich Tillmanns neuerdings verstärktes Interesse am Thema Nachhaltigkeit. Eine verantwortungsvolle Schwimmbadarchitektur kann dabei an vielen Punkten ansetzen, sei es bei Energie- und Wasserbedarf, Materialauswahl und dem Werterhalt des Gebäudes. Werden die Betriebskosten durch vorausschauende Planung bei der Energiebilanz eines Gebäudes klein gehalten, steigt auch für die Betreiberin die Attraktivität nachhaltiger Architektur. Besonders Schwimmbäder stellen aber hohe Ansprüche an die Bausubstanz: Wasserdampf im Spa-Bereich, konstant warme Luft und regelmäßig eingesetzte Chemikalien sind eine stete Belastung – die Gebäudehülle muss gut isolieren. Tillmanns empfiehlt daher eine möglichst frühe Zusammenarbeit aller FachplanerInnen, um das bestmögliche Bad zu gestalten und alle nötigen Maßnahmen aufeinander abzustimmen.
Immer stärker in den Fokus rückt hierbei eine harmonische Einbettung des Gebäudes in die Umgebung. Zu sehen ist dies beispielsweise am Starnberger Seebad, für dessen Modernisierung unter anderem Jürgen Kannewischer mit seinem Ingenieursbüro zuständig war. Dort seien auch Fragen der energetischen Aufbereitung im Fokus gestanden. Kreislauf-Verbund-Systeme sorgen hier seit dem Umbau für eine gute Abwärmenutzung. So kühlt ein Kreislauf die Fußböden der Saunen, mit der Wärme wird im Gegenzug der Duschbereich im Vorraum angenehm temperiert. Nach der Modernisierung hat das Gebäude nun außerdem den Blick auf das umliegende Panorama – Starnberger See und die Berge – geöffnet und ist so seiner Umgebung nähergekommen. Im Inneren dominieren Holzvertäfelungen, das Becken ist schlicht und die Glaswände hell und offen gestaltet. Denn zur Nachhaltigkeit gehöre auch, BesucherInnen das Konzept möglichst auf Dauer schmackhaft zu machen, glaubt Tillmanns: „Am nachhaltigsten ist sicherlich ein Gebäude, bei dem man noch nach 30 bis 40 Jahren sagen kann: Es hat sich gelohnt, es genau so zu bauen“. Für Stefan Kannewischer, Geschäftsführer der Kannewischer AG, lässt sich diese verantwortungsbewusste Planung auch auf Überlegungen zum Design übertragen: Denn nicht nur das Gebäude, sondern auch dessen Gestaltung müssen für eine gute Wirtschaftlichkeit mindestens 20 Jahre überleben können. Sein Appell: „Alles was modischen Strömungen unterliegt, sollte innerhalb der Lebensdauer leicht veränderlich sein.“ Der Betriebswirt rät daher zu möglichst flexiblem und zeitlosem Design. Und auch René Pier weiß um die Bedeutung nachhaltigen Bauens. Beim Neubau der Allgäuer Center Parcs, für den sein Büro die Planung für das Konzept des Schwimmbeckenbereichs übernahm, musste zuvor eine Militäranlage auf dem Baugrund abgebrochen werden. Vieles vom abgetragenen Material wurde später beim Bau wiederverwendet. „Nachhaltigkeit ist inzwischen die neue Norm –“, so Pier, „Es geht darum, den Fundort eines Materials zu kennen, Transportwege möglichst kurz zu halten, aber auch zu wissen, welche Ausdünstungen ein Klebstoff hat. Es ist wichtig, dass jetzt darüber geredet wird.“ Auch Holz, das einem Bauplatz weichen musste, kann später wiederverwendet werden. Brettschichtholz ist noch dazu wenig aufwendig in der Herstellung, eignet sich gut für die Gestaltung von Innenräumen und zur späteren Wiederaufbereitung.
„Jedes Bad braucht eine klare Vision, Funktionalität sowie Design, wobei die jeweiligen Angebote und Zielgruppen definiert werden müssen.“ – Stefan Kannewischer
Gesundheit und Event müssen zusammengedacht werden. Obwohl moderne Bäder also immer stärker auf das Event-Bedürfnis ihrer BesucherInnen und die Umweltbilanz achten müssen, gewinnt der Gesundheitsaspekt vermehrt an Bedeutung. Stefan Kannewischer sieht vor allem öffentliche Anlagen, in Zeiten zunehmender sozialer Isolierung von Menschen und gesellschaftlicher Bewegungsarmut, in der Pflicht. Schon bei der anfänglichen Planung müsse die Betreiberin daher auf zielgruppengerechte Trennung von Freizeitangeboten achten, um besser auf die Bedürfnisse von Gästen eingehen zu können. Die Zeit der Bäder, die nur auf den Faktor „Spaß“ setzen, ist also vorbei. Auch kommunale Bäder sehen sich der Aufgabe verschrieben, eine entspannende Wellness-Atmosphäre für eine sehr diverse Kundschaft zu schaffen. „Kommunale AnbieterInnen haben ja auch eine Verpflichtung zur Daseinsvorsorge“, gibt Pier zu bedenken. „Deswegen müssen auch sie Wohlfühlmomente schaffen und nicht nur Freizeitbeschäftigung.“ So ist auch die umgreifende Bedeutung natürlicher Baustoffe zu verstehen, die einen authentischen und angenehmen Bad- und Spa-Aufenthalt garantieren sollen. Doch auch günstigere Materialien können dabei zum Einsatz kommen, nur unruhige und allzu billig wirkende Baustoffe stören die Illusion. Eine offene und eher reduzierte Gestaltung, die nach Möglichkeit gut in die Umgebung eingebettet ist, liegt im Trend. Zeitgleich muss eine moderne Bäderarchitektur auch Raum für Events und weitere Gesundheitsangebote lassen. Platz also einerseits für Fitnessstudios, private Spa-Bereiche und eine ausgewogene Gastronomie, andererseits für Poolbars und Aufguss-Meisterschaften. Ohne ein nachhaltiges Bau- und Betriebskonzept ist ein Schwimmbad 2019 schlichtweg nicht mehr denkbar. Daher muss die Betreiberin die Inhalte schon im Vorhinein exakt festlegen, um die Anlage genau anzupassen an die Bedürfnisse ihrer Gäste, um das Ganze am Ende zu einem Erfolg zu führen. Denn ein schön gestaltetes Bad hinterlässt trotzdem unzufriedene KundInnen, wenn die Funktionalität oder das Feintuning im Detail nicht passt. In dieser Phase kann eine gute Beratung zwischen Misserfolg und Erfolg entscheiden.
© WELLNESS WORLD Business 2/2019