Der momentane Zustand ist dramatisch und nur konsequente Umsetzung von schon lange bekannten Systemen oder Technologien könnten noch helfen, denn es ist ernst – es ist höchste Zeit, zu handeln! Nicht nur zum Wohle der Natur, wie dies leider immer wieder fälschlicherweise dargestellt wird, sondern vor allem zum Wohle des Menschen und seiner Gesundheit – als Teil der Natur. Der Befund ist eindeutig und ohne Zweifel kritisch. In Frage gestellt wird das heute bloß noch von Konzernen, die vom Status Quo profitieren, oder von oft rechter und nationalistischer Politik. Auch VerschwörungstheoretikerInnen profitieren von unsachlicher und unwissenschaftlicher Diskussion über das Thema des diesjährigen Symposiums Medicinicum-Lech: „Der gesunde Mensch in einer gesunden Umwelt“. So verwundert es auch nicht, dass die Bedeutung der Umwelt für unsere Gesundheit lange Zeit vernachlässigt aber auch verschleiert wurde – und das aufgrund der systemischen Gegebenheiten und der unterschiedlichen Interessen am freien Markt. Das Interesse von Konzernen, den Profit zu vergrößern, steht in deutlichem Gegensatz zum Interesse jedes Einzelnen in der Bevölkerung. In diesem Wettstreit gehen oft die Interessen der Menschen verloren, da die Industrie über unzählige Lobbyisten ihre Rechte nicht nur lautstark einfordert, sondern diesen durch hohe finanzielle Mittel auch über reguläre Kanäle Nachdruck verleihen kann. Selbst die seriöse und kritische Wissenschaft, die völlig unabhängig arbeitet, findet trotz erdrückender Fakten seit Jahren kein Gehör. Angesichts der Dramatik kommt nun aber Bewegung ins Spiel.
Zitat: "Die Ökologie ist nicht nur Schlüssel zur Gesundheit, sondern auch zu unserer Zukunft!"
Das Thema des Symposiums hätte 2019 nicht besser gewählt werden können angesichts der weltweit entstehenden ökologischen Jugendbewegung „Fridays for Future“ mit ihrer Galionsfigur Greta Thunberg.
So waren VertreterInnen der Bewegung in Österreich ebenfalls anwesend und haben sich gemeinsam mit den Studierenden des Studienprogramms „European Health Economics & Management“ („Eu-HEM“) aktiv in die Diskussion eingebracht. Der Studiengang Eu-HEM wird gemeinsam vom Management Center Innsbruck (MCI), der Universität Bologna, der Universität Oslo und der Erasmus-Universität Rotterdam angeboten. Die Studierenden haben im vergangenen Jahr ja doch einiges an Sand ins Getriebe der Industriemühlen geworfen.
Doch nun zurück zu den Themen des Symposiums: Der Bogen spannte sich vom Klimawandel über die Ernährung, das Artensterben, den Wald bis hin zur Ökologie und deren oftmals auftretenden Gegensätzlichkeit zur Ökonomie. Die drei Tage in Lech boten ausreichend Zeit, sich umfassend und auf unterschiedlichen Ebenen den Themen zu nähern. Zu Beginn des ersten Tages standen internationale Vorträge in Kooperation mit Eu-HEM am Programm. Einer der SprecherInnen war Dr. Nick Fahy, Researcher an der University of Oxford und Berater für Gesundheitspolitik, der am Beispiel Rauchverbot anschaulich darstellte, wie Veränderungsprozesse in Politik und Gesellschaft eingeleitet werden sollten.
Denn trotz der wissenschaftlichen Erkenntniss der 80er-Jahre, dass das Passivrauchen schadet, ist jahrelang nichts geschehen. Es zeugt auch von Notwendigkeit, eine gute Geschichte zu erzählen – Wissenschaft allein genügt oft nicht. So eröffnete deshalb der wissenschaftliche Leiter Prof. Dr. Markus Metka das Public Health Symposium, das am 4. Juli 2019 im Rahmen der Medicinicum-Veranstaltung stattfand, mit einem eindringlichen Statement: „Die Wechselwirkungen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Umwelt in Kombination mit der persönlichen Lebensweise werden zur Schlüsselfrage unserer Gesundheit und Zukunft!“
Der Bürgermeister von Lech, Ludwig Muxel, ließ aufhorchen, dass er seine Gemeinde in Zukunft noch stärker im Gesundheitstourismus positionieren möchte. Dabei ist die Nachhaltigkeit schon länger eine Maxime, da im Tourismus Qualität vor Quantität stehe.
All dies aufgreifend, beschäftigte sich der Buchautor und Medienstar unter den Philosophen Richard David Precht mit der Frage und den folgenden Themen: Ist die Erde noch zu retten? – Digitale Revolution und Gesundheit. – Wie geht das zusammen? Precht beleuchtete den Zeitgeist kritisch und legte akute Probleme dar, warnt er doch seit Jahren vor der Klimakatastrophe und dem auf uns zukommenden gesellschaftlichen Wandel.
Am Ende des Tages hielt der Tiroler und Chefberater für Gesundheitspolitik und -strategie der WHO sowie der Weltbank Prof. Dr. Armin Fidler einen Vortrag über die Herausforderungen der globalen Nahrungsmittelversorgung und der Fehl- oder Mangelernährung in Europa wie auch weltweit.
Zitat: „Ökologie versus Ökonomie als Schlüsselfrage der Zukunft!“
Am nächsten Tag ging es intensiv weiter mit einem Vortrag des Gynäkologen Prof. DDr. Johannes Huber über Anti-Aging-Strategien in einer gefährdeten Umwelt. Denn wir wissen bereits seit langer Zeit, dass die Umweltbelastung Einfluss auf das Altern hat wie auch auf den Zustand unserer Gesundheit im Alter. Gleich danach ging es um den „Biophilia-Effekt“ – der „Heilung aus dem Wald“ –, zu dem der Biologe Dipl.-Ing. Clemens G. Arvay neueste wissenschaftliche Erkenntnisse präsentierte, da es seit einiger Zeit auch in Japan universitäre Forschung dazu gibt.
Denn der Wald und seine Pflanzen haben Einfluss auf unser Immunsystem – ein sehr interessantes neues Forschungsfeld. Anschließend gab der Chronobiologe und Arzt Dr. Jan-Dirk Fauteck, wissenschaftlicher Leiter der European Academy of Preventive and Anti-Aging Medicine, Einblicke in das Thema Licht und dessen Bedeutung für den Organismus und die Gesundheit des Menschen.
Licht sowie das wichtige Melatonin geben im Körper einen Rhythmus vor und tragen zur Synchronisierung des physiologischen Ablaufes bei. So kann zu viel Licht in der Nacht den Blutdruck erhöhen, Melatonin kann hier allerdings regelnd eingreifen. Und Licht unterstützt natürlich auch die Vitamin D-Bildung und hat so auch Anteil an der Gesundheit des Körpers. Der Schlafpsychologe und Mediziner Prof. Dr. Günther W. Amann-Jennson beschäftigte sich auch mit einem sehr wesentlichen Teil zur Gesunderhaltung: Schlaf. Denn eine Studie, die von 1993 bis 2013 lief, ergab, dass 80 Prozent der Erwerbstätigen unter Schlafproblemen oder Schlafmangel leiden, bestätigte Amann-Jennson. Das ist alarmierend und zeigt auf, dass hier vieles getan werden könnte, gerade eben auch im Gesundheitstourismus.
Zitat: „Wäre die Natur eine Pille, würde sie von der Krankenkasse erstattet.“
Brandheiß waren auch die Einblicke, die Mag. Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, in seinem Vortag „Von Allergien bis zur Akte Glyphosat“ bot. Er betonte auch die Notwendigkeit einer Transformation, die jedoch nur zu schaffen sei, wenn die Politik auch Regularien schaffe, wie unter anderem eine ökosoziale Steuerreform.
Wir haben derzeit mit Problemen zu tun, die in diesem Ausmaß bisher nicht vorkamen. Denn die Klimaerwärmung gefährdet den Menschen auf vielen Ebenen, auch Allergiebelastungen und Atemwegserkrankungen steigen durch die Luftverschmutzung wie zum Beispiel Feinstaub.
Krankheitserreger kommen auch immer häufiger aus subtropischen Ländern zu uns. Der Experte empfiehlt im Gespräch mit WELLNESS WORLD Business, „bei Hitze präventive Maßnahmen zu ergreifen und sich davor zu schützten, denn es gibt mittlerweile doppelt so viele Hitzetote wie im Autoverkehr. Man sollte aber auch bei der Wurzel des Problems ansetzen und den Energieverbauch deutlich reduzieren, und darauf achten, dass man erneuerbare Energie und die Elektromobilität in Form von öffentlichen Verkehrsmitteln nutzt! Wir sollten um 50 Prozent Energie einsparen und bis 2050 CO2-neutral sein.“ Das klingt vielleicht unvorstellbar, aber es wäre machbar und hängt ab vom Konsumverhalten jedes Einzelnen – aber vor allem von den politischen Rahmenbedingungen. Prof. Dr. Hans-Peter Hutter von der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien hat die alarmierenden Zustände in seinem Vortag mit zahlreichen Fakten von der Feinstaub-, über die Plastikbelastung bis hin zu diversen Pestiziden auch nochmals manifestiert.
Mehr zum Thema lesen Sie im Interview mit Markus M. Metka.
© WELLNESSWORLD Business 1 / 2020