Ein kleines, aber feines Hotel mitten in einer ländlichen Stadt mit einem netten Spa-Bereich, aber weit weg von einem Skigebiet hat zu dieser Jahreszeit mehr Zimmer frei als belegt. Das ist kein Einzelfall, sondern Realität in vielen Gegenden. Was kann die Lösung sein? Spontaneität! Ein attraktives, aber zeitlich begrenztes Stammkundenangebot für jene Gäste, die innerhalb von zwei Stunden mit dem Auto beim Hotel sein können, ist schnell per E-Mail verschickt. Ein verlockender Bonus wie ein spezielles Abendessen mit Weinbegleitung zum Sonderpreis oder eine im Angebotspreis enthaltene Wellness-Behandlung sind dann noch ein zusätzlicher Erfolgsgarant für ein volles Haus. Willkommen in der digitalen Welt! Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung für den Tourismus eröffnen.
Die Digitalisierung ist im Tourismus angekommen
Mit diesen und vielen weiteren Kriterien lassen sich erstaunliche Ergebnisse erzielen. Das Wichtigste ist, den richtigen Kunden zur richtigen Zeit anzusprechen. So sind sowohl kurzfristige Buchungen wie auch ein Füllen der schwierigen Nebensaison möglich. Personalisierte Kundenkontakte führen zu einer besseren Auslastung. Die Digitalisierung bringt den Vorteil, vorhandene Informationen über die Kunden effektiv zu nutzen und sie zusätzlich mit Kontextinformation über Webservices anzureichern. Aus den gesammelten Daten lassen sich die Sehnsüchte der Gäste ableiten und zu neuen, komplett auf die Kunden zugeschnittenen Angeboten verwandeln. In weiterer Folge wird daraus mithilfe von datenbasiertem Marketing zielgenau jeder Gast individuell angesprochen. Das ist eine der ganz großen Chancen der Digitalisierung.
Der digitale Wandel verändert die schönsten Wochen des Jahres und damit gleichzeitig auch eine wichtige Säule der Wirtschaft. In diesen Tagen verreisen soviele Menschen wie nie zuvor, nämlich weltweit rund 1 Milliarde jährlich. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr mehr als 430 Millionen Übernachtungen gezählt. In Österreich waren es rund 141 Millionen und in der Schweiz 35,4 Millionen Nächtigungen. Damit ist der Tourismus auch einer der wichtigsten Arbeitgeber. Es kommt nicht von ungefähr, dass 94 Prozent der befragten Unternehmen aus der Touristikbranche die Digitalisierung als eine Riesenchance sehen. Das ergab eine Umfrage der Bitkom, dem deutschen Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom, bestätigt den vorherrschenden Trend: „Die Digitalisierung ist dabei, das Reisen ganz fundamental zu verändern. Der Tourismus der Zukunft ist vernetzt, mobil, smart.“ Im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema „Wie die Digitalisierung die Touristikbranche verändert“ attestierte er bereits Anfang 2016, dass ohne Digitalstrategie kein touristischer Betrieb langfristig am Markt bestehen kann. Eine eigene Webseite mit der Möglichkeit, online Kapazitätsabfragen in real-time durchzuführen oder den Aufenthalt zu buchen und zu bezahlen, gehört mittlerweile zur Standardausrüstung eines erfolgreichen Touristikunternehmens. Die Präsenz in sozialen Medien sowie individuelle Angebote via App sind weitere digitale Maßnahmen, die einen langfristigen Erfolg garantieren.
Fast jede Reise entsteht schon im Internet
Kein Trend hat das Reisen und die Reiseindustrie bisher so nachhaltig verändert, wie es die Digitalisierung derzeit vermag. Nicht neue Reiseziele oder Formen des Reisens gewinnen an Bedeutung, sondern fundamentale neue Errungenschaften wecken das Interesse der Reisenden. Apps, die Reiseführer ersetzen, Drohnenvideos von der Hotelanlage oder gar Roboter, die Hotelgäste bedienen und Tablets, mit denen das komplette Hotelzimmer gesteuert werden kann – das sind die Extras, die heute für den Abschluss einer Reise relevant sind. Auch die Customer Journey ist mittlerweile komplett digitalisiert. Das Internet ist ein zentrales Instrument zur Organisation von Reisen. Das wohl bekannteste Beispiel: Eine Freundin postet auf Facebook die Fotos von der verschneiten Bergwelt oder vom Traumstrand in der Karibik. Beim Betrachten bekommen wir sofort Lust, auch mal dorthin zu reisen und fangen an, uns genauer darüber zu informieren – online natürlich. 34 Prozent der Internetnutzer geben an, dass sie sich sogar häufig im Internet zu einer Reise inspirieren lassen. Für die Planung wird das Web dann noch wichtiger: Alle Flüge und jeglicher sonstiger Transport werden online gecheckt. Die Unterkunft sowieso. Da werden die Nähe zu wichtigen Punkten wie dem Strand oder der Innenstadt mittlerweile nebensächlich. Was wirklich zählt sind die Bewertungen früherer Gäste, die im Internet ihre Eindrücke von dem Hotel hinterlassen. Schließlich möchte niemand am Urlaubsort vor einem dreckigen Pool oder einer Baustelle stehen. Diese Bewertungen werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Gebucht wird das Hotel dann auch online. Die zu besuchenden Sehenswürdigkeiten werden ebenfalls in Ruhe von zuhause vor dem Bildschirm ausgesucht. 80 Prozent der Internetnutzer haben bereits Leistungen rund um eine Reise im Internet gebucht. Laut Dr. Bernhard Rohleder von Bitkom buchte Anfang 2016 „ein Viertel Reisen sogar fast ausschließlich online“, am häufigsten Flüge, Mietwagen und Übernachtungen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Das Angebot ist enorm und steht 24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche zur Verfügung – anders als ein Reisebüro, wo man an Geschäftszeiten gebunden ist. Zudem ist der Vergleich von Angeboten und Preisen online so einfach wie noch nie.
Es fehlt an entsprechender Infrastruktur
Die globale Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Sie beschert dem Tourismus weltweit ein jährliches Wachstum von über vier Prozent – und dies seit 2011. Trotz allem hinken die Tourismusbetriebe und hier insbesondere das Gastgewerbe bei der digitalen Transformation hinterher. Der Bedarf an digitalen Angeboten ist zwar bekannt, es fehlt derzeit aber an den passenden Strukturen, um die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen. Der Wandel geht aber nicht vorbei. Abzuwarten und die Hände in den Schoß zu legen, bringt nichts. Vielmehr müssen bisherige Arbeitsweisen überdacht und neue Prioritäten gesetzt werden. Vor allem mit kleineren Budgets können die digitalen Vorteile nur schwer ausgeschöpft werden. Zusammenschlüsse und Kooperationen können hier Abhilfe schaffen. Wenn sich Partner auf verschiedenen Ebenen zusammentun, können sie ineinandergreifende Angebote erstellen.
Österreich ist als Urlaubsland gut gebucht, in Sachen Digitalisierung hinkt es aber hinterher. Das muss sich ändern, damit das Land international wettbewerbsfähig bleibt. So die Kernaussage einer gemeinsamen Pressekonferenz von Harald Mahrer, dem Wirtschaftsminister der letzten Regierung, der Österreich Werbung und der Wirtschaftskammer Österreich. Dafür sei die Förderung der öffentlichen und privaten Infrastruktur „tatsächlich bis ins letzte Tal“ nötig, so die Worte des ehemaligen Ministers. „Im besten Fall fünf Prozent der österreichischen Hoteliers verwenden Datenmaterial zu Buchungsströmen und sehen sich die aktuelle Preissensibilität an. International macht das ein Drittel“, so Mahrer. „Wir waren mal sehr gut unterwegs und sind hier sicherlich abgerutscht“, bestätigt Österreich-Werbung-Chefin Petra Stolba. In erster Linie muss flächendeckende Infrastruktur geschaffen werden, also schnelles Internet für alle, damit auch wirklich jeder im Land partizipieren kann. Angestrebt wird zudem ein zentraler österreichweiter Datenpool über das Urlauberverhalten. Nicht unwesentlich ist auch die digitale Qualifizierung der Mitarbeiter in den Tourismusbetrieben selbst. Zehn Milliarden Euro sind dafür notwendig, die zum Großteil aus privaten Mitteln kommen müssen. Aus öffentlicher Hand kann nicht genug für den notwendigen Ausbau zur Verfügung gestellt werden. „Unsere Daten, die wir im Laufe der letzten Jahre gesammelt haben – einige tausend Gästedaten – werden gehütet wie unser ureigener Schatz“, berichtet Wirtschaftskammer-Tourismusobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher, die selbst ein Hotel in Salzburg führt. „Da wird auch ein Umdenken stattfinden müssen.“ Davon ist auch Harald Mahrer überzeugt: „Der Tourismus ist globaler und wesentlich schneller geworden – er ist datengetrieben. Das gemeinsame Management der Daten ist wesentlich.“
In der Schweiz wird gerade an einer Erneuerung der Tourismusstrategie von 2010 gearbeitet. Gleichzeitig sucht die Schweiz Tourismus einen neuen Direktor. Für Ueli Stückelberger, dem Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VÖV) ist es wichtig, die Strategie an den digitalen Wandel anzupassen, allerdings sieht er darin nicht den einzigen Erfolgsgaranten. Barbara Gisi, die Direktorin beim Schweizer Tourismus-Verband, sieht das „wegen der sich überschlagenden Realität der Digitalisierung“ schon ein wenig anders. Sie gibt zu bedenken, dass Buchungsplattformen wie Booking.com, die jetzt eine immense Bedeutung für den Tourismus haben, vor allem kräftig daran mit verdienen, ohne jedoch eine effektive Leistung zu erbringen. Eine gewisse Affinität zur digitalen Welt sollte der neue Chef von Schweiz Tourismus also mitbringen.
Auch Deutschland rangiert in Sachen Digitalisierung weltweit auf den hinteren Plätzen. Immer noch gibt es weiße Flecken auf der Landkarte, wo es an der entsprechenden Infrastruktur für den touristischen digitalen Wandel fehlt. Es liegen dazu aber noch recht wenige Datenerhebungen vor. Mitte 2017 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die volkswirtschaftlichen Effekte des Tourismus in Deutschland untersuchen lassen. In Bezug auf die Digitalisierung konnte festgestellt werden, dass sie ein „hochrelevanter Veränderungstreiber“ ist, was speziell an der Vermittlung von touristischen Dienstleistungen, der Beherbergung und der Personenbeförderung zu erkennen ist. Fest steht jedoch, dass der Digitalisierung im Tourismus mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Sie findet statt, auch wenn die Auswirkungen derzeit noch schwer messbar sind.
Fazit
Eines ist sicher: Die Digitalisierung wird die Tourismusbranche in den nächsten Jahrzehnten grundlegend revolutionieren. Auf der Überholspur sind jene, die sich die Vorteile der Digitalisierung zu Nutze machen können und die Herausforderungen des digitalen Wandels aktiv annehmen. Das oberste Ziel ist und bleibt, durch digitale Services zur richtigen Zeit am richtigen Ort das analoge Urlaubserlebnis zu verbessern. Entscheidend für den Erfolg sind zentral gespeicherte und abrufbare Informationen über Urlauberverhalten sowie die digitale Qualifizierung der Mitarbeiter in den Tourismusbetrieben. Mit den modernen Möglichkeiten unserer Zeit kann der digitale Wandel des Tourismus im positiven Sinne weiter vorangetrieben werden.
Infoboxen:
Urlaubsinspiration aus dem Internet
Wenn sich Internetnutzer Anregungen aus dem Netz holen, kommen sie meist von Social-Media-Inhalten von
- 89 % von Freunden oder Familie
- 45 % von touristischen Unternehmen
- 7 % von Social Influencern/YouTubern/Bloggern
- 13 % Sonstige Quellen
- 2 % weiß nicht/keine Angaben
Quelle: Bitkom Research
Online-Buchung von Reiseleistungen
Die folgenden Leistungen rund um Reisen und Urlaub werden gerne im Internet gebucht bzw. gekauft:
- 66 % Übernachtungen
- 56 % Flüge
- 45 % Mietwagen
- 39 % Bahnfahrkarten
- 35 % Pauschalreisen
- 14 % Fernbustickets
Quelle: Bitkom Research
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