CSR – Corporate Social Responsibility – ist ein Label, das Unternehmen gerne für sich beanspruchen. Während viele Betriebe in ökologische Nachhaltigkeit investieren – und damit einen sozialen Mehrwert für die Gesellschaft als ihre Leistung betrachten –, gibt es wenige Initiativen, die sich tatsächlich sozialen Aspekten widmen. Abgesehen von durchaus relevanten Themen wie Work-Life-Balance für die MitarbeiterInnen, dem Schlagwort „familienfreundlicher Arbeitsplatz“ und Initiativen für die betriebliche Gesundheit werden selten Angelegenheiten aufgegriffen, die über die Unternehmensgrenze hinaus gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben. CSR bedeutet aber gerade das: Verantwortung für diese Gesellschaft wahrzunehmen.
CSR und Politik – Unternehmenspolitik
Auf politischer Ebene wirkt sowohl die Europäische Säule sozialer Rechte als auch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Sinne der Verpflichtung zur Schaffung von inklusiven Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderungen. So ist für Unternehmen ein Mindestmaß an sozialem Verhalten vorgegeben. Das bedeutet allerdings noch nicht, auch gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Unternehmenspolitik gestaltet die Zukunft von Gesellschaft und entscheidet darüber, welche Teilhabemöglichkeiten Individuen haben. Es ist eng gedacht, klassische Modelle von Leistungsfähigkeit und Ähnlichem an Menschen anzulegen und für den Rest alleinig den Staat zur Verantwortung zu ziehen. Immerhin sind viele Personen auch aufgrund der (zwischenmenschlichen) Dynamiken in Unternehmen erkrankt. Oft geht hier Erfahrung und Expertise verloren. Bewusstsein für psychisch erkrankte Angestellte im Unternehmen kann durchaus positiv sein – auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht.
Realitätsbewusstsein erfordert Klarheit
Soziale Einrichtungen, die wie INDI – Individualisiertes Arbeitstraining – mit Menschen im arbeitsmarktfernen Kontext arbeiten, akquirieren in Betrieben Arbeitstrainings, die es der jeweiligen Zielgruppe ermöglichen, Arbeitserfahrung zu sammeln, im Falle einer Berufsorientierung Neues auszuprobieren oder bereits bestehende Arbeitserfahrung nach einer Genesung zu aktualisieren. Dazu ist klare direkte Kommunikation notwendig. Es nützt niemandem, Dinge zu beschönigen; es geht darum, was jemand braucht – egal, ob es das einzustellende Individuum ist oder das Unternehmen selbst: Welche Anforderungen sind zu erfüllen? Welche Bedenken wirken auf beiden Seiten im Hintergrund? Aufgrund der transparenten Gespräche erhalten wir prägnante Feedbacks zu den Leistungen und der Wahrnehmung der Persönlichkeiten der Trainees. Das Ergebnis sind sowohl konkret fassbare Entwicklungsschritte für den oder die Trainee als auch positiv empfundene Veränderungen in den Betrieben. Wir haben gelernt, dass unsere KooperationspartnerInnen und jene Betriebe, die tatsächlich Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, meist auch aus anderen als sozialen Gründen betroffenen Menschen eine Chance geben.
Effizienz, Kommunikation und Betriebsklima
Effizienz und Produktivitätssteigerung sind messbare Größen. Regelmäßig vollzogene Einschulungen auf einen Trainingsplatz machen zum einen ersichtlich, wo in den betrieblichen Prozessen etwas vereinfacht werden kann, zum anderen entlasten die Arbeitsaufgaben der Trainees das bestehende Team, das sich besser auf Kerntätigkeiten fokussieren kann. Kommunikation trägt auch zu Effizienzsteigerung bei. Die anfangs oft intensive Kommunikationsnotwendigkeit mit betroffenen Personen wirkt in die Beziehungen der MitarbeiterInnen hinein. So werden länger mitgetragene Missverständnisse aufgeklärt, Begegnungen im Team werden entspannter, was den Arbeitsprozess positiv beschleunigt und gleichzeitig harmonisiert. Die Tatsache, dass eine von einer Erkrankung betroffene Person in ein Team aufgenommen wird, hat auch Rückwirkungen auf die psychische Gesundheit der bestehenden MitarbeiterInnen. Gespräche in den Pausen, die bewusste Wahrnehmung dessen, wie bestimmte Menschen gelernt haben, auf ihre Stabilität zu achten, macht die integrierten Personen zu einer Art ExpertInnen der betrieblichen Gesundheit und sie sind mit ihrem Wissen wie ihrer Erfahrung vielleicht sogar effizienter und kostengünstiger als ein beliebiges Gesundheitsprogramm.
Entstigmatisierung
Tatsächlich bedeutet das Erkennen von sozialer Verantwortung durch Unternehmen, dass sich negative Haltungen zu psychischer Erkrankung verändern – alleine schon deswegen, weil sich die Grenze zwischen „krank“ und „gesund“ aufweicht. Unternehmensführende und jede/r einzelne MitarbeiterIn sind damit MultiplikatorInnen für einen Entstigmatisierungsprozess von psychisch erkrankten Menschen, indem sie erfahren, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ihren Beitrag leisten wollen – und das auch hervorragend können.
Autor: Arno Plass, MA
Coach und Outplacer
INDI – Individualisiertes Arbeitstraining der Psychosozialen Zentren GmbH
Lehrbeauftragter der Universität Innsbruck
© WELLNESS WORLD Business 2/2019