Wohl nicht zu Unrecht kann festgestellt werden, dass diese beiden Begriffe von der Bevölkerung, speziell von Menschen in der zweiten Lebenshälfte, eher positiv aufgefasst werden, während etwa Vertreter einer streng klinisch orientierten Medizin diesem Bereich des Gesundheitswesens mitunter skeptisch gegenüberstehen.
Worum geht es eigentlich?
Ein möglicher Grund für die unterschiedliche Akzeptanz von Kuren könnte auch darin zu suchen sein, dass die Kur, so wie sie sich heute präsentiert, einerseits dem Gesundheitstourismus zugeordnet wird, andererseits aber als medizinisch-therapeutisches Verfahren aufgefasst werden kann. Eine Folge davon ist, dass den Vertretern des Gesundheitstourismus der medizinische, den klinischen Medizinern hingegen der gesundheitstouristische Aspekt missfällt. Dieser Zwiespalt der Auffassungen hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass Gesundheit und Krankheit als voneinander getrennte und sich gegenseitig ausschließende Entitäten aufgefasst werden. Dazu muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass eine solche Trennung in der Realität nicht existiert, sondern als ein willkürliches Konstrukt der Proponenten der einen oder anderen Denkrichtung beurteilt werden sollte. Im Sinne einer konstruktiven Auseinandersetzung mit dieser Problematik können gesundheitsförderliche Maßnahmen wie die Kur auch ausschließlich aus der Sicht eines komplexen Gesundheitsbegriffs betrachtet werden. Daraus ergeben sich die nachfolgenden Gesundheitskategorien:
- Gesundheitspflege
- Gesundheitsvorsorge
- Gesundheitswiedererlangung
Im Bereich der Gesundheitspflege und zum Teil auch bei den Bemühungen zur Gesundheitsvorsorge treffen sich die Bereiche Wellness und Kur. In diesen Bereichen besteht auch ein beträchtlicher Gestaltungsfreiraum in Hinblick auf die Art und Weise des gesundheitsförderlichen Angebots, wobei jedoch nicht Beliebigkeit, sondern Sachkenntnis dominieren muss. Gesundheitswiedererlangung steht im Zusammenhang mit einem vorhergehenden Verlust von Gesundheit und weist daher eine Beziehung zum Krankheitsbegriff auf.
Wesensmerkmale der Kur
Die wesentlichsten Charakteristika der Kur sind:
- die geplante und wiederholte Anwendung eines natürlichen ortsgebundenen Heilvorkommens
- der systemische Ansatz, erkennbar am Einsatz von sachlich begründbaren unterschiedlichen gesundheitsförderlichen Maßnahmen
- die für die Erreichung eines nachhaltigen gesundheitsdienlichen Effekts notwendige Gesamtdauer der Kur
Was ist ein natürliches ortsgebundenes Heilvorkommen?
Unter dem Begriff „natürliches ortsgebundenes Heilvorkommen“ werden Heilwässer, Heilmoore, Heilgase und klimatische Faktoren mit einem gesundheitsförderlichen Effekt zusammengefasst. In Österreich, wie auch in anderen Ländern mit einem aktiven Kurwesen, unterliegt die Anerkennung dieser Heilvorkommen klaren gesetzlichen Regelungen, was auch als Qualitätskriterium aufgefasst werden kann. Die gesundheitsförderlichen Effekte dieser natürlichen Heilmittel hängen einerseits von deren Qualität, andererseits aber auch von der sachgemäßen Anwendung ab. Heilwässer unterscheiden sich z. B. von Leitungswasser durch eine höhere natürliche Temperatur und bestimmte chemische Inhaltsstoffe. Diese Eigenschaften sind auch die Grundlage der Bezeichnung, wie dies die nachfolgende Tabelle anhand einiger wichtiger Beispiele zeigt.
Eigenschaften von Heilwässern
Beschaffenheit des Heilwassers | Bezeichnung des Heilwassers |
mehr als 1 g gelöste feste Stoffe pro kg Wasser | Mineralwasser |
mehr als 20° C am Quellaustritt | Thermalwasser |
mehr als 1000 mg gelöstes natürliches Kohlendioxid pro kg Wasser | Säuerling |
mehr als 1 mg zweiwertiger Schwefel pro kg Wasser | Schwefelheilwasser |
mehr als 3700 Bq Radon pro kg Wasser | Radonheilwasser |
Kochsalzgehalt über 1,5 % | Sole |
Darüber hinaus gibt es noch weitere chemische Inhaltsstoffe wie Jod, Eisen, Sulfat etc., die als Heilfaktoren eine Heilwasserqualifikation begründen. Aufgrund der Tatsache, dass die Inhaltsstoffe in den verschiedenen Heilwässern in unterschiedlichen Kombinationen vorliegen, kann von einer beträchtlichen Vielfalt von Heilwässern, aber auch von einem jeweils sehr individuellen Charakter des einzelnen Heilwassers gesprochen werden.
Gesundheitliche Effekte der Anwendung von Heilwässern
Wie aus einer großen Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen hervorgeht, haben Heilwässer nachweisbare Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, wobei diese Effekte allerdings eng mit der Art ihrer Anwendung verknüpft sind. Wissenschaftliche Disziplinen, die sich mit der Frage der Wirkung und der Wirkmechanismen von Heilwässern befassen, sind die Immersionsphysiologie, die Hydrotherapie und die Balneologie (= Bäderheilkunde). Da und dort anzutreffende Meinungen, wonach Heilwässer keine Wirkung hätten oder dass es keinen wissenschaftlichen Beleg für solche Wirkungen gäbe, entbehren daher einer seriösen Basis und können auf Unkenntnis der Datenlage zurückgeführt werden. Wesentlich ist jedoch dabei die Feststellung, dass solche Wirkungen nicht nach den Kriterien der Pharmakotherapie betrachtet werden dürfen, wie dies in einer Aussage von Gunther Hildebrandt, wonach Balneotherapie keine verwässerte Pharmakotherapie ist, klar zum Ausdruck kommt.
Die Nutzung eines Heilwassers im Rahmen eines, im Vergleich zur Kur kürzeren Zeitraumes, wie dies typisch für Wellnessaufenthalte ist, erscheint als eine Möglichkeit der Gesundheitspflege an sich sinnvoll, wenn diese Anwendungen ein Teil eines gesundheitsdienlichen Angebots sind. Langzeiteffekte wie sie für die Kur typisch und nachgewiesen sind, können aber von relativ kurzen Wellnessaufenthalten nicht erwartet werden. Es erscheint daher auch unsinnig, wenn von manchen Proponenten des Gesundheitstourismus die Vorstellung vertreten wird, die „moderne Wellness“ würde über kurz oder lang die „altmodische Kur“ ersetzen. Es handelt sich dabei um zwei unterschiedliche Angebote der Gesundheitsförderung, die einerseits Gemeinsamkeiten und andererseits aber auch Unterschiede aufweisen. Die komplexe balneomedizinische Kur richtet sich an Menschen, deren Gesundheitszustand bereits beeinträchtigt ist und verfolgt das Ziel, diese Beeinträchtigungen zu verbessern oder zu beseitigen. Da gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht von heute auf morgen auftreten, bedarf auch deren Beeinflussung eines bestimmten Zeitraums, was die notwendige Dauer eines Kuraufenthaltes erklärt.
Gesundheit und deren Beeinträchtigung aus mehrdimensionaler Sicht
Sowohl im Bereich von Wellness als auch von Kuren werden nicht Einzelmaßnahmen, sondern Kombinationen von Anwendungen und Maßnahmen angeboten bzw. eingesetzt. Dies steht in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass Gesundheit, aber auch gesundheitliche Beeinträchtigungen mehrdimensionale Phänomene sind. Für die Erzielung gesundheitlich relevanter Effekte ist daher ein systemischer Ansatz notwendig. Die Qualität eines solchen Ansatzes bemisst sich jedoch nicht an der Buntheit und Vielfalt des Angebots, sondern an der gezielten Kombination von Maßnahmen in Abhängigkeit von individuellen Gegebenheiten.
Schlussfolgerung
Wellnessangebote und die traditionelle Kur stellen zwei unterschiedliche Angebote des Gesundheitstourismus und der Gesundheitspflege dar. Beide Bereiche haben ihre Schwerpunkte und sind nicht beliebig austauschbar. Die traditionelle Kur mit dem Identifikationsmerkmal der gezielten Anwendung natürlicher ortsgebundener Heilvorkommen, dem systemischen Ansatz und der Notwendigkeit einer länger dauernden Anwendung gesundheitsförderlicher Maßnahmen, ist kein historisches Relikt, sondern eine zeitgemäße Maßnahme der Gesundheitsförderung.
Autor: Ao. Univ. Prof. Dr. W. Marktl
GAMED - Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin und
Karl Landsteiner Institut für Traditionelle Medizin
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