„Der gesunde Mensch in einer gesunden Umwelt“ beschäftigt den wissenschaftlichen Leiter des Symposiums Medicinicum-Lech Prof. Dr. Markus M. Metka schon längere Zeit, und angesichts der gegenwärtigen Bedeutung des Themas trafen wir den umtriebigen Gynäkologen zum Gespräch.
Wie sehen Sie die Chance, dass wir den Globus noch retten angesichts der vielen Hiobsbotschaften von Umweltkatastrophen und CO2-Erwärmung? Welchen Beitrag sollte man leisten?
Nach den Philosophen Yuval Noah Harari und Richard David Precht gibt es drei Untergangsszenarien: 1. Der Atomkrieg, 2. Wenn die digitale Revolution in die falschen Hände gerät und 3. die ökologische Katastrophe. Gerade diese ist für uns MedizinerInnen ein relevantes Thema, und wir sind verpflichtet, mitzuarbeiten, um die Probleme zu bewältigen. Aber die Zukunft schaut leider sehr apokalyptisch aus, wenn wir so weitermachen. Würde die Bevölkerung in Asien so viel Energie verbrauchen wie wir EuropäerInnen es tun, würden wir untergehen.
Es gibt aber WirtschaftsnobelpreisträgerInnen, die sich damit beschäftigen, da es ja um ein ökonomisches Problem geht. Ein ungehemmter Neoliberalismus führt sehr rasch zu einer ökologischen Katastrophe, daher ist genau dies interessant für uns MedizinerInnen, weil es für uns Menschen dadurch zu schweren Gesundheitsschäden kommt. Die NobelpreisträgerInnen haben zwar noch Hoffnung – die Veränderung funktioniert jedoch nur dann, wenn jedes Individuum auch mitmacht. Denn mit kleinen Korrekturen lässt sich das Problem nicht bewältigen.
Europa ist zwar nicht so schlecht unterwegs und es hat sich viel getan, aber die USA und Brasilien oder Asien haben große Probleme.
Damit sind wir beim eigentlichen Punkt angelangt, denn die Umwelt – und Gesundheit – besteht aus vielen Einzelteilen und ist abhängig von vielen Komponenten:
- Handelsabkommen wie TTIP oder Mercosur (Mercado Común del Sur / Gemeinsamer Markt des Südens)
- Luftverschmutzung: z. B. Stichwort Dieselskandal – sie steigert das Herzinfarktrisiko (das belegen auch Studien). Bei Mikroplastik werden die Atemwege stark belastet, und es wirkt sich auch negativ auf die Darmgesundheit aus.
- Plastik: Endokrine Disruptoren (Endocrine disruptors), PVC (Flaschen etc.) und Parabene wirken sich negativ auf das Hormonsystem der Schilddrüse und der Keimdrüsen aus. Auch die Spermienqualität wird weltweit dadurch schlechter.
Die Agrarproduktion braucht dringend eine Wende: Durch die Massentierhaltung und den exzessiven Einsatz von Antibiotika entstehen resistente Keime. Eine starke Stickstoffdüngung wirkt sich negativ aus, wie auch die enorme CO2-Produktion, die den Ausstoß der Autos weit übersteigt. Wenn wir uns alle ein- oder zweimal pro Woche vegan ernähren würden, könnten wir die Katastrophe deutlich hinausschieben.
Das müsste alle ÄrztInnen interessieren – denn was nutzen all die Medikamente und Therapien, wenn wir sie nicht mehr nutzen können, weil die Welt zu Grunde geht? Monokulturen in der Agrarwirtschaft sehen wir gerade in Brasilien und Indonesien, wo riesige Wälder und die Biodiversität zerstört werden. Es ist uns ein Anliegen, dass ÄrztInnen für ihre PatientInnen in die Anwaltsrolle schlüpfen – aber auch für die Umwelt, indem sich für eine gesunde Ökologie einsetzen. Begonnen hat eigentlich alles mit Glyphosat.
An der „Akte-Glyphosat“ sieht man, wie die Interessen der Industrie vertreten werden. Die Gesundheit ist den VertreterInnen dieser Branche – wie auch jenen großer Lebensmittelkonzerne oder Tabakkonzerne – völlig egal.
Was halten Sie vom „Biophilia-Effekt“ – ist der Wald für uns ein derart wichtiger Regenerationsort?
Ja, ein sehr interessanter Ansatzpunkt. Wir müssen zunächst darauf achten, dass die Wälder nicht alle verbrannt werden. Wir haben zwar „Mercosur“ abgelehnt, aber trotzdem hat die Vernichtung zugenommen. In Australien wurden große Teile durch Naturkatastrophen vernichtet, die Wälder auf Borneo und in Indonesien brennen ebenso. Die Wälder sind ja auch ein wichtiger Speicher von CO2! Wälder speichern viele Essenzen und Produkte wie Öle und Harze und vieles mehr, das wichtig ist. In Japan hat man daraus nun sogar eine Wissenschaft gemacht.
Speziell zur Regeneration werden wir den Symposium-TeilnehmerInnen 2020 etwas Besonderes anbieten: Nach dem Medicinicum im Juli wird es eine Detox-Woche geben, zu der man sich jetzt bereits anmelden kann. Wo? Im Hotel Berghof! Detox ist im Grunde eigentlich die Antwort auf die Umweltverschmutzung. Detox war auch schon vor Jahrtausenden wichtig, wie z. B. bei der Pancha-Karma-Kur des Ayurveda.
Ernährung ist für Sie ja auch ein wesentlicher Bestandteil für ein gesundes Leben. Wie wichtig ist für Sie die Umwelt? Sie haben ja in diesem Zusammenhang die Initiative „Allianz gegen zu viel Zucker“ mitgegründet?
Die Ernährung ist wichtig! Letztendlich geht es ja um Präventivmedizin, und da dreht sich vieles um die richtige Ernährung. Bis in die 50er-Jahre war auch die Ernährungsmedizin ein Teil der Umweltmedizin – daran sieht man, wie die Dinge zusammengehören. Mit der richtigen Ernährung kann man sehr viel leisten. Bewegung ist auch wichtig – aber Ernährung ist zentral.
In diesem Zusammenhang erwähne ich immer den bekannten amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Michael Pollan, der meinte: „Esse Dinge, wie sie deine Urgroßmutter gekauft hätte, Lebensmittel die hauptsächlich von Pflanzen stammen, aber nicht zu viel! („Eat food, not too much, mostly plants …“)
Nicht verarbeitete Lebensmittel sind ebenfalls zu empfehlen.Stichwort „Big Food“: Die Lebensmittelindustrie will nur viel Geld machen. Sie will uns „verzuckern“ (im Sinne von überzuckern) und auch versalzen, und uns mit schlechten Fetten versorgen. (Je mehr Salz man verwendet, umso weniger Gewürze werden benötigt.)
Wie sollte sich der gesunde Mensch am besten ernähren?
Wieder ist hier auf Michael Pollan zu verweisen. Es gibt hierzu aber auch unzählige Studien, und die gesündeste Ernährung scheint jene zu sein, bei der man täglich mindestens 300g bis 500g pflanzliche Nahrungsmittel zu sich nimmt, also Gemüse und wenig Obst. Wieder gilt: Eat food, not too much, mostly plants!“ Die beste Anti-Aging-Kost ist nach wie vor entweder die traditionelle mediterrane oder die traditionelle asiatische Ernährung: mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, wenig Zucker und wenig Fleisch.
Neben der Ernährung ist auch Schlaf ein kontinuierliches Thema für eine stabile Gesundheit, wird die Bedeutung eventuell überschätzt?
Schlaf ist schon ein sehr wichtiger Indikator für den Gesundheitszustand. Wir sind vor allem in urbanen Räumen sehr lichtverschmutzt (Light Polution). In der Nacht sollte es dunkel sein, denn da wird das Melatonin gebildet. Leider läuft da vieles falsch, denn die Schlafzimmer sind voll mit technischem Equipment. Je heller es in der Nacht ist, desto weniger Melatonin wird gebildet – und das ist nicht gesund. Man kann sich im Alter Melatonin in Form von Medikamenten zuführen, da die Substanz völlig natürlich ist.
Wird der Mensch immer sensibler, oder sind es die vielen schädlichen Umweltfaktoren (Pestizide wie Glyphosat, Schwermetalle in den Nahrungsmitteln, Feinstaub in der Luft etc.), die verantwortlich sind für die steigende Zahl an Allergien und auch schweren Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkten, Diabetes, Demenz?
Das Beste, um Schwermetalle wie Blei oder Aluminium aus dem Körper zu bringen (Chelat-Therapie), sind Schwefelstoffe, wie sie in Knoblauch oder noch reichhaltiger im Bärlauch oder Koriander enthalten sind. Früher war das Leben noch viel belasteter durch die mangelnde Hygiene, Lebensmittelvergiftungen und das verdorbene Wasser. Es war katastrophal im Vergleich zu heute. Durch die Lebensmittel- oder Agrarindustrie, die Gifte wie Glyphosat auf die Felder bringt, entstehen neue Gefahren – künstlich gemacht und aus einer landwirtschaftlichen Gier heraus. Dadurch werden wir nahezu wieder vergiftet. Auch das Spektrum der toxischen Stoffe hat sich geändert.
Können hier ganzheitliche medizinische Konzepte (TCM, Ayurveda, Tibetische Medizin, TEM, Qigong) zur Verbesserung der Situation einen wesentlichen Beitrag liefern?
Ich bin ein großer Verfechter der Ökumene in der Medizin! Man sollte miteinander arbeiten, und gerade wenn wir über Detox sprechen, können wir sehr viel lernen von anderen Lehren wie Ayurveda und dem Pancha Karma, die schon seit Jahrtausenden lehren, wie man das Richtige isst und die schädlichen Stoffe ausschwitzt, oder durch Massagen mit Ölen, in denen entsprechende Phyto-Substanzen enthalten sind, die von der Haut transthermal aufgenommen werden, ausscheidet. Nach einer Woche Kur duftet man geradezu. F. X—Mayr-Kur wie auch die chinesische oder indische Medizin erleben gerade eine große Renaissance, weil es sich um präventive medizinische Konzepte handelt. Hier kann man viel von der indischen und der chinesischen Kultur lernen. Nach einem Herzinfarkt nur das verengte Gefäß zu sehen, ist natürlich sehr einseitig.
Kann die Kultur generell für uns auch heilsame Kräfte entwickeln?
Ja, es gibt sogar eine eigene Richtung von Kulturheilkunde, ein namhafter Vertreter davon ist der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Hartmut Schröder in Berlin. Wie soll man auch gesund werden, wenn man gar nicht kann, weil der Sinn fehlt wie auch die Sinneswahrnehmung. Hier hilft die Kultur – die Ästhetik von Kultur und Natur, die die Sinne wieder erfüllt. In diesem Zusammenhang sind Resilienz, Nachhaltigkeit, Gelassenheit und Muse wichtige Begriffe.
Noch eine Frage zu den systemischen Problemen, da Sie zu jenen VertreterInnen gehören, die meinen, dass ein entfesselter Kapitalismus zur Katastrophe führen muss. Möchten Sie kurz ausführen, was Sie damit meinen?
Eine nur auf Wachstum ausgerichtete neoliberale Wirtschaft macht krank, eine Wirtschaft die ungebändigt ist, wo große Geldsummen von wenigen Leuten kumuliert werden – auch das führt zur ökologischen Katastrophe. Wir leben in einer Zeit von sehr ungleicher Vermögensverteilung: eine kleine Gruppe unsagbar reicher Menschen steht einer sehr großen Gruppe von sehr armen Menschen gegenüber. Auch solche Zustände können krank machen.
Wie würde für Sie eine sinnvolle Balance aussehen?
Eine Wertegesellschaft – auch mit religiöser Basis – wäre eine wichtige Grundlage. In Indien ist das sehr ausgeglichen, gewisse Philosophien wirken da oft ineinander. Die Gier ist das größte Übel in unserer Gesellschaft, dass weiß man aber in religiös geprägten Kulturen. In China ist das eben nicht der Fall, hier sind die „Werte“ nur sehr schwach ausgebildet. Das sehe ich sehr kritisch. Auch Nordamerika ist hier kein Vorbild. Precht sagt deshalb auch, dass, wenn die digitale Revolution in die falschen Hände kommen sollte, stünden wir vor einer Katstrophe. Wenn Silikon Valley die Moral und Ethik der Welt bestimmt, dann steuern wir auch auf einen Abgrund zu. Denn Daten sind Macht, und wenn wir diese missbrauchen, wäre das gefährlich. Die westliche Welt neigt dazu, narzisstisch zu werden – und das wird gerade Kult –, aber zu dieser Coolness und der Empathielosigkeit sollte ein Gegengewicht vorhanden sein.
Am Schluss noch zu einem anderen Thema: Haben Sie eventuell auch noch wichtige Anti-Aging-Tipps für unsere LeserInnen?
Durch meine langjährige Erfahrung kann ich sagen, dass das Wichtigste die Mäßigkeit ist! Es gibt daher auch keine Hundertjährigen, die dick sind – bei diesen handelt es sich um schlanke oder sogar magere Menschen. Auch Omega-3 ist ein wichtiger Faktor bei der Ernährung. Empathie ist auch sehr wichtig, sie wird durch Neugierde verursacht. Den Genuss sollte man aber auch nicht übertreiben, wenn es z. B. um Alkohol geht (z. B. 1/8 l bis 1/4 l Wein).
Vielen Dank für das Gespräch!
Das 7. Medicinicum wird vom 9. – 12. Juli 2020 stattfinden
mehr dazu auf www.medicinicum.at
© WELLNESSWORLD Business 1/2020