Ausstattung und Einrichtung in einem Spa- und Wellnessbetrieb bieten immer geringe Möglichkeiten zur Differenzierung, denn auf die steigenden Erwartungen haben die Betreiber bereits mit massiven Hardware-Investitionen reagiert. Eine darauf aufbauende Herausstellung der Individualität eines Betriebs wird zusehends schwieriger. Daraus folgt, dass der heutige Wettbewerb im Gastgewerbe durch ein breit gefächertes Angebot bestimmt wird, welches die Gäste begeistern und ihre Erwartungen übertreffen soll. Die Erlebnisqualität rückt in den Vordergrund, der Service, das Angebot und die Menschlichkeit in der Dienstleistung. All das wird in Zertifizierungen und Auszeichnungen zum Ausdruck gebracht, von denen es am Markt mittlerweile mehrere Dutzend gibt. Was gut gemeint ist, entpuppt sich für den Spa- und Wellnessbetreiber zusehends als Herausforderung, denn sich im Dschungel der Auszeichnungen zurechtzufinden ist nicht einfach, nicht alle Auszeichnungen und Zertifikate sind gleichermaßen seriös, der Kosten- und Zeitaufwand, um sich an den Verfahren zu beteiligen, ist mitunter enorm und der Marketingwert steht oft infrage. Aus diesem Grund rät Lizzie Herzog, Referentin im Hotelverband Deutschland, den Wellnessbetreibern, auch enormes Augenmerk auf die Marktrelevanz der Auszeichnung zu legen, die mindestens ebenso wichtig ist wie die Transparenz und Unabhängigkeit der Zertifizierung und Auszeichnung: „Ein weiteres Wellnesszertifikat sollte bereits so erfolgreich am Markt positioniert sein, dass sich dem Wellnessbetreiber auch nachweislich eine zusätzliche Nachfrage erschließt.“
Objektivität hat Priorität
Der Druck, sich Zertifizierungen und Auszeichnungen zu unterziehen, nimmt für die Spa- und Wellnessbetreiber zu. Grundsätzlich kommt ein Betrieb heute zwar noch ohne Zertifizierung aus, muss dann aber eine Nische besetzen, in einer besonders attraktiven Lage angesiedelt sein oder über ein entsprechendes Netzwerk verfügen, sodass die Buchung auf eine andere Weise als über die herkömmlichen Buchungssysteme erfolgen kann. Genau das ist aber sehr schwer zu realisieren. Unternehmensberater Alexander Hildebrand kann daher den Zertifizierungen durchaus etwas abgewinnen, denn sie bieten potenziellen Kunden eine verlässliche Größe in der Bewertung dessen, was sie erwarten können. Deshalb ist die objektive Zertifizierung in touristischen bzw. gesundheitstouristischen Betrieben sinnvolles Marketing ebenso wie eine wirkungsvolle Maßnahme, nicht zu stark in einen ruinösen Preiskampf einsteigen zu müssen. „In einer objektiven Zertifizierung wird der Geschmack nicht bewertet. Demnach muss jeder Spa- und Wellnessbetreiber dafür Sorge tragen, dass die Soft Skills vor Ort wie das Service passen“, so Hildebrand. Das Kriterium, ob es sich um eine seriöse oder unseriöse Zertifizierung oder Auszeichnung handelt, kann daher nur die Objektivität sein. Die damit verbundene Vergleichbarkeit der Leistungen macht die Zertifizierung glaubwürdig und schafft Kundenvertrauen. Subjektiv entscheidet dann nur der Kunde vor Ort.
Auszeichnungen – ja, aber …
Thomas Zimmermann ist Spa-Manager im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe, einem mehrfach zertifizierten und ausgezeichneten Haus. Prinzipiell ist er von der Wirksamkeit und dem Wert von Zertifizierungen überzeugt, sagt zum Ja aber auch gleich ein Aber dazu: „Ich beobachte sehr wohl, dass Häuser ohne Zertifizierungen und Auszeichnungen zusehends in wirtschaftliche Schwierigkeiten schlittern. Dennoch sehe ich den Zertifizierungs- und Auszeichnungswahn durchaus kritisch. Es ist wie im Glücksspiel oder in der Lotterie. Die für die Zertifizierung verantwortlichen Personen agieren niemals ausschließlich objektiv, bei manchen steht auch die Kompetenz in Zweifel. Es ist daher von enormer Wichtigkeit, dass klare Kriterien als Zertifizierungs- und Auszeichnungsmaßstab angesetzt werden. Dazu gehören für mich unter anderem die Bewertung von Transparenz der Leistung, Infrastruktur und Ausstattung, Ambiente, Servicequalität, qualifizierte Beratung, berufliche Qualifikationen, Gesundheit und Umwelt, Angebotsgestaltung, die Küche, der Grad an Individualität, Sicherheit, Technik, Sauberkeit und Wirtschaftlichkeit.“ Als reine Geldmacherei würde Zimmermann Zertifizierungen nicht bezeichnen, denn immerhin kann jeder frei entscheiden, ob er sich dem Verfahren unterzieht oder eben nicht. Für den Gast ist es schwer geworden, sich im Dschungel der Auszeichnungen zurechtzufinden. Mit den meisten Labels kann der Gast nichts anfangen, dennoch beeinflussen ihn die Auszeichnungen bei der Wahl des Hauses. Er verlässt sich darauf, dass ein ausgezeichnetes Haus auch ein qualitativ hochwertiges ist, und dieses Vertrauen sollte tunlichst nicht missbraucht werden.
Die Marketingglaubwürdigkeit stärken. In keinem Fall als seriös einzustufen sind Zertifizierungen und Auszeichnungen, die gekauft werden können oder auf den subjektiven Einzelerfahrungen von „Testern“ basieren, wie das unter anderem manche Guides tun. Solche Fälle sind als zu verurteilende Abzocke der Betreiber einzustufen und können das Kundenvertrauen nachhaltig zerstören. Glaubwürdige Zertifikate jedenfalls lassen sich gut ins Marketing einbinden. Umso mehr verwundert es, dass die Marketingkräfte in den Betrieben oft selbst nicht im Detail wissen, was genau ausgezeichnet oder zertifiziert wurde. Damit führt sich die Zertifizierung als Marketingtool ad absurdum und schwächt das gesamte Marketing. Unternehmensberater Alexander Hildebrand rät daher, auf der Website des Hauses einen Link zu den Auszeichnungskriterien zu hinterlegen. Optimal ist es, wenn diese dann mit den subjektiven Beurteilungen durch den Gast ergänzt werden. Viele touristische Anbieter springen auf die Gesundheits- und Wellnesswelle auf und möchten damit ihre Existenz absichern. Auszeichnungen, Zertifizierungen oder auch Gütesiegel helfen dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen. Millionen von Euro werden in die Schaffung solcher Zertifizierungen gesteckt mit dem Resultat, dass es eine Inflation an Zertifizierungen gibt. Gemeinsam mit den Medien wird es daher erforderlich sein, die objektiven Kriterien transparent darzustellen, sodass dem Missbrauch von Zertifizierungen möglichst der Riegel vorgeschoben und dem Gast Orientierung gegeben werden kann.
Positives Kosten-Nutzen-Verhältnis
„Wir vom Hotelverband Deutschland (IHA) sehen die zunehmende Versiegelung des Hotelmarktes als überaus kritisch. Wir empfehlen daher all unseren Mitgliedern grundsätzlich, in jedem einzelnen Fall Wert auf ein nachweislich positives Kosten-Nutzen-Verhältnis zu legen.“
Auszeichnung als Orientierungshilfe
„Eine erfolgreiche Zertifizierung oder Auszeichnung wird gerne von der Marketingabteilung genutzt, um den Bekanntheitsgrad und den Qualitätsanspruch auf dem Markt zu präsentieren. Für mich persönlich dient eine seriöse und kompetente Auszeichnung oder Zertifizierung auch als Orientierungshilfe, als Zeugnis für unser Angebots- und Dienstleistungsangebot, das mein Team und ich dem Gast offerieren.“
Objektiv und weit verbreitet
„Auszeichnungen und Zertifikate können nur dann einen wirkungsvollen Nutzen haben, wenn sie objektiv, weit verbreitet und somit auch bekannt sind. Objektiv deshalb, weil nur objektive Auszeichnungen glaubwürdige Auszeichnungen sind und eine Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation im Sinne des vom Kunden gewollten Leistungsspektrums möglich machen. Bekanntheit und Akzeptanz sind nötig, weil nur dann potenzielle Nutzer von diesen Auszeichnungen und Zertifizierungen wissen können.“
© WELLNESS WORLD Business 01/2013