Es wäre wünschenswert, dass viele Hotelmanager dieses Interview lesen, um ein besseres Verständnis für das Spa-Management zu entwickeln. Sven Huckenbeck leistet auch als Jury-Mitglied des European HEALTH & SPA AWARDs sehr wertvolle Arbeit und bringt dabei sein Know-how kritisch ein und nimmt dazu auch Stellung.
WELLNESS WORLD Business: Wir würden zu Beginn gerne wissen, wie Sie ins Spa-Business eingestiegen sind.
Sven Huckenbeck: Als diplomierter Sportwissenschaftler mit therapeutischen Ausbildungen lag das irgendwann nahe, sich für das Spa-Business zu entscheiden, weil dort die Kombination zwischen Bewegung/Sport und Entspannung/Erholung zusammenfindet. 2004 begann die Reise, kurioserweise in der Tschechischen Republik, in einem der umsatzstärksten Spas in Europa, so wie es sich entwickelt hat.
Dann ging es weiter in der Vier-Sterne-Superior-Hotellerie in einige sehr große Häuser wie Heiligendamm, Therme Laa an der Thaya, Brune Balance med & SPA und zuletzt unter anderem das Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe, die ich eine ganze Weile mit entsprechenden Erfolgen versorgen konnte.
WWB: Sie sind auch in der Jury des European HEALTH & SPA AWARDs, wie läuft das ab, und welchen Erfahrungen haben Sie gemacht?
SH: Grundsätzlich war ich sehr überrascht, wie objektiv unterm Strich die ganze Geschichte abläuft, wie vollkommen unabhängig voneinander die Juroren die Bewertungen treffen und wie dicht die einzelnen Juroren aneinander liegen. Und dadurch ein sehr klar strukturiertes Ranking zum Vorschein kommt.
Interessant war die jeweilige Entwicklung des Hotels, Produkts etc. in den unterschiedlichen Kategorien am Markt im Vergleich zum Wettbewerb. Hier tritt sehr deutlich in Erscheinung, dass einige Produkte oder Innovationen einfach wesentlich höhere Marktchance haben als andere – weil der Nutzen besonders ausgeprägt ist, weil die Kommunikation besonders rund und schlüssig ist, weil die Umgebung, in der diese Innovation eingesetzt wird, besonders geeignet ist usw. Also da spielen viele Faktoren eine Rolle, die dann letztlich ein schönes Gesamtbild abzeichnen.
WWB: Wollen Sie zur Qualität der Einreichungen oder den Einreichungen selbst Stellung nehmen?
SH: Bei den Einreichungen muss man sagen, dass offensichtlich nicht bei allen Einreichern die Bedeutung erkannt wird, und daher auch die Einreichungsqualität leidet. Die Einreichungen spielen jedoch eine große Rolle in der Beurteilung. Eine Einreichung sollten die Bewerber sehen wie eine große Marketingkampagne, wo es darum geht, sich selbst möglichst aufrichtig und authentisch und natürlich auch gut darzustellen. Dazu gehört natürlich auch unbedingt die Vollständigkeit der Angaben im Fragebogen.
WWB: Themenwechsel: Was macht Ihrer Meinung nach gutes Spa-Management aus?
SH: Über diese einfache Frage kann man ein Buch schreiben. Ja, die Basis für ein erfolgreiches Spa-Management ist natürlich ein ordentliches Produkt. Es braucht auch ein stimmiges, ein schlüssiges Konzept für das Spa das auch zum Haus passt. Wenn das nicht aus einem Guss erscheint, dann wird es schon schwierig. Dann geht es auch um die Klarheit des Angebots. Es muss nutzenorientiert dargestellt werden, es muss auch leicht verständlich sein. Wir alle kennen das Gefühl, wenn wir zum Chinesen gehen und die Speisekarte kommt mit 73 Gerichten drauf, das ist keine vertrauensbildende Maßnahme. Lieber die Konzentration auf weniger, aber aussagekräftige Behandlungen – das ist meines Erachtens erfolgreicher als ein umfangreiches Spa-Menü. Es geht um ein klares Profil, denn Generalist kann nicht jeder sein.
WWB: Kurz zum Hotelmanagement: Wo sehen Sie die Fehler beim Hotelmanagement dem Spa gegenüber?
SH: Hier geht es allgemein um die Wertschätzung und die Bedeutung des Spas für das Hotel. In den meisten Fällen leider vollkommen unterschätzt , denn das Spa, wenn es gut gemacht ist, ist einzigartiger USP des Hauses und steigert die Zimmerrate um 20, 25 bis 30 Prozent, und das bedeutet ohne Spa würde das Hotel diese Zimmerraten nicht erzielen. Das Andere ist die Auslastung des Hotels, die deutlich leiden würde, insbesondere in Übergangsperioden bei Destinations-Resorts. Weil gerade in Übergangszeiten das Spa ein absolutes Buchungskriterium ist – zur Erholung, zum Kurzurlaub usw.
WWB: Was fehlt Ihrer Meinung nach am Markt, im Spa? Hat das mit Personal zu tun, mit der Ausbildung, mit Konzepten, oder ist es die Kreativität?
SH: Aus der Sicht des Spas fehlt oft das Verständnis des Hoteliers für die Anforderungen, die notwendig sind, um ein Spa erfolgreich zu führen. Das ist oft nicht klar, und dann liegt der Hauptfokus oft beim F&B-Bereich, dadurch ist alles, was im Spa passiert, meist nur ein Zusatz zum Hotelgeschäft. Und meines Erachtens würde man erheblich erfolgreicher sein, gerade in den Resorts, wenn das Thema Spa eine wirkliche Bedeutung für das Hotel bekäme – wie gesagt im Hinblick auf Zimmerrate und Auslastung.
WWB: Und wie verhält es sich mit der Kreativität im Spa selbst?
SH: Wenn das Konzept einmal vorgegeben ist, ist das kreative Potential eng begrenzt, weil man sich in einem gewissen Rahmen bewegen muss. Wünschenswert wäre das jedoch schon, denn die Branche entwickelt sich ja mit bedeutsamer Geschwindigkeit. Im Moment ist allerdings der erlebbare Nutzen für den Gast und die Wirkung von Behandlungen im Fokus, das sind meine Erfahrungen aus den Gast-Gesprächen. Der Gast will wissen, wofür er Geld ausgibt und was er davon hat. Und hier gibt es meines Erachtens noch nicht genügend qualitative Aussagen, um die Branche auf die nächste Stufe zu heben.
WWB: Da sind wir gleich beim nächsten Thema: Wie schafft man es, ein Spa wirklich profitabel zu machen?
SH: Die Frage ist sehr komplex – auf der einen Seite ist die Preisgestaltung, die sicher adäquat ausformuliert werden muss. Dann ist es häufig die Nutzung als Day Spa – falls eine entsprechende Größe vorliegt, und die Mitgliedschaften, die absolut empfehlenswert sind. Auch die schon angesprochenen Arbeitsprozesse. Ganz klar, die sind einfach erforderlich, damit dieser Ablauf rund, effektiv und effizient laufen kann und dann natürlich: Mitarbeiter-Bindung, d. h. Ausbildung, Schulung, Fortbildung, Wertschätzung von Mitarbeitern – ganz wesentlich. Denn es ist unglaublich teuer, durch die Fluktuation neue Mitarbeiter einzuarbeiten, auf die entsprechenden Qualitätsstandards einzuschulen und die dann weiterzuentwickeln. Bei der gegebenen Fluktuation fast nicht möglich.
WWB: Wie sehen Sie die Zukunft den Spa-Manager? Eventuell auch als Hotelmanager? Oder umgekehrt Hotelmanager auch als Spa-Manager?
SH: Bei der Komplexität des Spa-Business gibt es überhaupt keine Argumentation dagegen, warum ein Spa-Manager, so wie ein gelernter Koch oder eine gelernte Servicekraft, die dann irgendwann Restaurantleiter wird, auch irgendwann zum Hoteldirektor aufsteigt. Meines Erachtens ist es an der Zeit, dass so etwas passiert – mit den entsprechenden Fortbildungsprogrammen. Genau so kann man einen Spa-Manager, der möglicherweise studiert hat, auch auf Positionen vorbereiten, die dann ins Hotelmanagement oder ins General Management führen. Überhaupt kein Thema, spricht nichts dagegen.
WWB: Gibt es eventuell Vorteile für einen Hotelmanager, der auch Spa-Management-Kenntnisse hat?
SH: Ein Hotelmanager ohne Spa-Kenntnisse, der ein Wellness-Resort führt, tut sich schwer. Weil er das Wesen oder den großen USP des Hauses nicht entsprechend kompetent bewerten und verarbeiten kann. Dann kommt es immer zu einer Trennung von Hotel und Spa. Wenn das aus einem Guss sein soll, dann ist zumindest die Empfehlung für den Hotelmanager oder für den Hoteldirektor, mal ein Spa-Management-Seminar zu besuchen, einfach um hier mehr in die Tiefe bewerten zu können, welche Anforderungen an ein Spa-Management gestellt werden.
WWB: Wo sehen Sie heute die Schwächen im Spa-Management?
SH: Eine der größten Schwächen ist die Preisgestaltung. Vor allen Dingen sind in den meisten Fällen die Behandlungspreise zu niedrig angesetzt. Es stehen im Verhältnis dazu natürlich hohe Lohnkosten gegenüber, das passt natürlich nicht zusammen. Das nächste Thema ist dann Arbeitsprozesse – die Prozesslogik im Spa-Bereich muss leichtgängig sein, für den Mitarbeiter sein. Deshalb ist eine Prozesslogik ausgesprochen wichtig, damit das funktionieren kann. Und nur wenn das funktioniert, kann man auch Geld verdienen. Im Anschluss daran geht es natürlich um eine äußerst komplizierte Mitarbeiterführung von Menschen, die den ganzen Tag eine unglaubliche Sensibilität, eine Achtsamkeit dem Gast entgegenbringen müssen. Auf der anderen Seite sollen diese Mitarbeiter geführt werden. Das Tragische daran: 80 % ihrer Arbeitszeit sind sie hinter verschlossenen Türen, und Mitarbeiter zu führen, die man einfach nicht sieht, ist schon eine größere Herausforderung. Auch das muss den Betreibern bekannt sein. Das erfordert etliche Winkelzüge, um die Mitarbeiter entsprechend einzuschätzen.
WWB: Wie sieht es mit Retail aus?
SH: Retail ist sicherlich ein Riesen-Thema. Retail – ganz klar – muss über das Angebot frisch und attraktiv gehalten werden, macht auch einen Teil des Umsatzes aus, ist aber nicht erfolgsentscheidend.
WWB: Das ist aber eine sehr interessante Aussage, ein Amerikaner würde das ganz anders beantworten.
SH: Das ist aktuell in Europa so – richtig wär’s andersrum.
WWB: Aber es geht doch darum: Was sollte ich tun, um es richtig zu machen? Nicht wie der Ist-Zustand aussieht, denn der ist nicht optimal, wie wir wissen.
SH: Ja, aber man will im Spa mit Sensibilität am Gast arbeiten. Wenn ich ein1,5-Stunden-Treatment nehme, das mich komplett entspannt, möglicherweise zu Lifestyle-Veränderungen und zu Persönlichkeits-, Bewusstseinsveränderungen führen kann – wenn ich dann im Anschluss, auch wenn die Situation noch so schön und komfortabel ist, ein Verkaufsgespräch führe, dann kommt das als Bumerang häufig zurück. Ein fehlender Kosmetikverkauf ist unterlassene Hilfeleistung – auch ganz klar. Aber auch hier in einem gut geführten, sensiblen Spa sind Cross-Selling-Maßnahmen auch mit dem entsprechenden Respekt gegenüber dem Gesamt-Angebot durchzuführen. Was soll das Ziel dieser Behandlungskonzeption sein?
© WELLNESS WORLD Business 4/2017