Die einen bohren nach Wasser, die anderen lassen es ab?, meint ein Chatter im Internetforum des ?Burgenländischen Yacht-Clubs?. ?Wundert mich eh nicht! Die Seewinkler muss ja der Neid fressen, wenn sie die ganzen Gstopften von den Seegemeinden sehen?, antwortet ein Kollege. ? Interessant, doch wovon ist hier eigentlich die Rede? Wasser ist zurzeit ein heißes Thema im Burgenland. Auf der einen Seite fehlt es. Vor allem jenen Seglern, die in den niederschlagsreichen 1990er Jahren immer größere Jachten an den Neusiedler See brachten und mittlerweile häufig mit den Kielen im Schlamm ackern. Die enttäuschten Dickschiffkapitäne unken, dass der See in einigen Jahren ganz austrocknen werde. Als Gegenmaßnahme überlegt die burgenländische Landesregierung einen 40 bis 50 Millionen teuren Kanal, durch den Donauwasser in den See gepumpt werden soll. Ein höchst umstrittenes Projekt: Biologen befürchten, dass die Verbindung der beiden Gewässer zu einer weiteren Ausbreitung des Schilfgürtels und somit wirklich zum Verschwinden des Neusiedler Sees führen würde.
1.000 Meter tief
Auf der anderen Seite begann man im Seewinkel, auf der touristisch noch wenig ausgelasteten Seite des Neusiedler Sees, nach Wasser zu bohren. Dabei ging es nicht um Kielwasser für den Neusiedler See, sondern um Thermalwasser für ein ambitioniertes 80-Millionen-Projekt: ein Thermenresort für 1.000Tagesgäste, plus Sauna mit Gemeinschaftsbereich und Ladyzone und ein Vitalcenter mit Kosmetik- und Fitnessbereich, sowie ein 4-Sterne-Hotel mit eigenem Spa-Bereich.
Bis zu 1.000 Meter Tiefe drang man bei der Bohrung nahe Frauenkirchen vor. Die Wahrscheinlichkeit, auf eine ausreichend ergiebige und heiße Quelle zu stoßen, war mit 85Prozent recht hoch. Dennoch zeigten sich die Bürgermeister der 13 an der Projektgesellschaft beteiligten Seegemeinden und die Vertreter der Landesregierung sehr erleichtert, als man im März 2006 am Standort Pimez-Lacke fündig wurde. Qualität und Menge des Wassers stimmen, nun sollen demnächst auch die Geldquellen sprudeln, hoffen sie. Das Thermalwasser für die geplante Seewinkeltherme übertrifft die notwendigen Voraussetzungen in allen Punkten bei weitem. Es ist gut 43 Grad warm ? 35Grad waren gefordert ? und die Ergiebigkeit der Quelle ist mit sechs Litern pro Sekunde doppelt so groß wie in den Vorgaben verlangt. Besonders freut sich Landeshauptmann Hans Niessl über die Qualität des Wassers: ?Hinsichtlich des Mineralgehalts reiht sich das Wasser unter die besten im Handel befindlichen Mineralwässer ein. Außerdem hat es Trinkwassercharakter.? Man werde deshalb die Anerkennung des Wassers als natürliches Heilmittel beantragen, sagt Niessl. Und auch der Frauenkirchner Bürgermeister Josef Ziniel zeigt sich in dieser Hinsicht sehr optimistisch. ?Ich habe mich mit den Kollegen aus Seibersdorf unterhalten, die dieses Wasser analysiert haben. Sie haben prophezeit, dass dieses Wasser höchstwahrscheinlich Heilwasser und sehr gut für die Haut sein wird.?
Holzbauers Schnecke
Nach einer langwierigen Grundstückssuche war mit der Pimez-Lacke zwischen Frauenkirchen und St. Andrä ein Platz gefunden worden, mit dem auch die Naturschützer leben können. An der einstigen Salzlacke waren in den letzten Jahrzehnten durch Schotterabbau mehrere Baggerseen entstanden, die nun für das Thermenprojekt zu zwei großen Wasserflächen vereint werden. ?Ich war sofort begeistert, als ich das gesehen habe. Der Teich ist riesig und das Wasser hat eine wunderschöne türkise Färbung?, erzählt Architekt Wolfgang Vanek von Holzbauer& Partner. Nachdem es ihr 2005 bei der Therme Laa an der Thaya glückte, ein 4-Sterne-Hotel zu konzipieren, das ideal mit der Wasserwelt und den umliegenden Weinbergen harmoniert, bekam die Gruppe rund um den Stararchitekten Professor Wilhelm Holzbauer von der Betreiberfirma VAMED den Auftrag für die Seewinkeltherme in Direktvergabe.
Was ist Wasser und wie kann man Wasser übersetzen?, fragten sich die Architekten. Und: Wie lässt sich der Zugang zum Wasser optimal nutzen? Als Ergebnis entstand eine Spirale, eine Art Schneckenform mit einem lang gezogenen Hotelkörper und einem großen Thermengehäuse. Eine prägnante Form, die gleich mehrere Aufgaben erfüllt: Sie verleiht dem Großprojekt ein eigenständiges Profil, das den Leuten im Gedächtnis haften bleibt, und sie ermöglicht, die Therme nach Süden zu orientieren und die Hotelzimmer in Ost-West-Ausrichtung zu bauen.
Eine Besonderheit der Seewinkeltherme, die man sonst bei keiner österreichischen Therme findet, wird der Badestrand samt Sommerbar am Baggersee sein. Ein Angebot, das sich lohnt: Schließlich hat die Region um den Neusiedler See die meisten Sonnentage Österreichs und die meeresstrandverdächtigsten Sonnenuntergänge der Alpenrepublik.
?Zudem werden wir das Seewasser in das Gebäude hineinziehen?, sagt Wolfgang Vanek. ?In dem Bereich zwischen Hotel und Therme haben wir eine Atriumsituation, wo das Seewasser in Seewasserbecken übergeht und bis zum intimen Thermen-Sauna-Bereich hineinführt.? Die Therme wird sich über eine Fläche von 11.700 Quadratmetern erstrecken, die Wasserflächen der Innen- und Außenpools (Erwachsenen-, Kleinkinder- und Kinderbereiche) plus der Seewasserbecken machen rund 2.000 Quadratmeter aus. Im Seewinkel beginnt nicht nur das sonnige pannonische Klima, hier findet sich auch landschaftlich Ungewohntes: eine Tiefebene mit alten Hutweiden, das Ergebnis von Rodung und jahrhundertelanger Beweidung. Der Blick geht hier ungehindert in die Weite, nirgends in Österreich gibt es mehr Himmel. ?Dieses Puszta-Feeling ist einmalig?, schwärmt Vanek. ?Diesen tollen Weitblick versuchen wir mit vielen Verglasungen und Ausblicksituationen einzufangen.? Und von der Terrasse im Restaurationsbereich aus lassen sich die legendär schönen Sonnenuntergänge bewundern.
Wechsel zum Ganzjahrestourismus
Mitte 2007 soll für die Seewinkeltherme der Spatenstich und 2009 soll die Eröffnung erfolgen. Die burgenländische Landesregierung sieht das Projekt als eine wichtige Voraussetzung, um den rückläufigen Seetourismus wieder anzukurbeln. Im Umkreis einer Fahrzeit von 90 Minuten hat der Seewinkel ein Gästepotenzial von zirka 3,4 Millionen Einwohnern. Die ?Therme im See? soll darauf ausgerichtet werden, ganzjährig Urlaubsgäste anzuziehen und eine attraktive Einrichtung für die Bevölkerung und für Tagesgäste mit stark wachsendem Bedürfnis nach Gesundheit und Erholung zu sein.
Dazu Tourismuslandesrätin Michaela Resetar: ?In der Zukunftsstrategie des Burgenland-Tourismus spielt der Bereich Gesundheit und Wellness eine zentrale Rolle, denn der Zug in diese Richtung ist noch nicht am Ziel. Ich bin deshalb überzeugt davon, dass dieses Projekt eine herausragende Rolle im pannonisch-thermischen Reigen spielen wird. Damit kann die Saison gestreckt, ein wichtiger Schritt in Richtung Ganzjahresdestination gesetzt und das neue Thermenresort Seewinkel als Motivationsgeber zu einem wichtigen Impuls für die Klein- und Mittelbetriebe der Region werden.?
Und was wird aus dem Donauzufluss für den Neusiedler See? Im Sommer 2006 gab es erstmals wieder einen akzeptablen Wasserstand und mit etwas Regen und Schnee im Winter ist auch das nächste Jahr gesichert. Da bietet sich eine Nachdenkpause an. Den Jachtkapitänen ist somit vorerst einmal der Wind aus den Segeln genommen.
Die Seewinkeltherme
Mitte 2007 erfolgt am Baggersee der Pimez-Lacke bei Frauenkirchen (Burgenland) der erste Spatenstich für die Seewinkeltherme, ein ambitioniertes Leitprojekt auf der touristisch noch wenig genutzten Seite des Neusiedler Sees. 80 Millionen Euro sollen investiert werden.
Der Betreiber VAMED plant ein Thermenresort für 1.000 Tagesgäste, plus Sauna mit Gemeinschaftsbereich und Ladyzone und Vitalcenter mit Kosmetik- und Fitnessbereich, sowie ein 4-Sterne-Hotel mit eigenem Spa-Bereich. Die Nettogrundrissfläche der Therme beträgt rund 11.700 m2, die des Hotels ca. 14.250 m2.
Die Wasserflächen der Innen- und Außenpools plus der Seewasserbecken machen rund 2.000 Quadratmeter aus. Im Umkreis einer Fahrzeit von 90 Minuten hat der Seewinkel ein Gästepotenzial von zirka 3,4 Millionen Einwohnern.
Silberreiher und Graurinder
Die trockenen Hutweiden (ungarisch: Puszta) im Seewinkel sind das Ergebnis von Rodung und jahrhundertelanger Beweidung, sie sind Kultursteppen, das Museum einer mehr oder weniger nomadisierenden Hirtenkultur. Ginge dieser Landschaftstypus verloren, würden auch Zwergiris, Südrussische Tarantel, Ziesel und Steppen-Iltis verschwinden. Um das alte Heideland zu bewahren, genügt es nicht, es einzuzäunen und in Ruhe zu lassen. Im Nu würden sich Bäume und Sträucher ausbreiten. Naturschutz hat in diesem Fall also nichts mit Konservieren zu tun.
Bekämpft wird die drohende Verbuschung in bewährter Weise: Herden seltener und vom Aussterben bedrohter Haustierrassen beweiden heute wieder das alte Kulturland. Sie gehören der Nationalparkverwaltung oder werden in deren Auftrag von ansässigen Bauern unterhalten. Im Seewinkel halten mittlerweile 350Stück Fleckvieh 900 Hektar Hutweide zwischen der Darscholacke und den Wörthenlacken frei.
Zwischen Schilfgürtel und Seedamm sorgen Warmblutpferde für offene Grasfluren und schaffen somit Brut- und Nahrungsflächen für Kiebitz, Graugans und andere Federnträger. Im Seevorgelände galoppieren Przwalski-Pferde, Vertreter der letzten überlebenden Wildpferderasse. Weiters im Team der Buschbekämpfer: weiße Esel, Zackelschafe, Graurinder und Hausbüffel.
»Früher hast wissen müssen, wie die Seetemperatur ist, heute musst wissen, wo die Uferschnepfe brütet«, sagt eine Zimmervermieterin aus Apetlon im Seewinkel. Der Nationalpark hat eine neue Sorte Gast in die Region gebracht ? komische Leut, die stundenlang mit Feldstechern im weiten Himmel stochern oder plötzlich in die Knie sinken, um eine unscheinbare Pflanze zu bewundern. Die Einheimischen haben sich daran gewöhnt. Und bieten den Nationalpark-Besuchern Fahrten mit dem Pferdewagen an. Mit einem abschließenden Heurigenbesuch, versteht sich.
Mit der Seewinkeltherme sollen nun weitere Gästeschichten in die Region geholt werden. »Jeder Arbeitsplatz in einem Leitbetrieb hat einen weiteren Arbeitsplatz in einem Klein- oder Mittelbetrieb zur Folge. Das heißt, dass auch die kleinen Zimmervermieter davon profitieren werden, dass es diesen Leitbetrieb gibt, dass mehr Gäste hierher kommen, dass die Saison verlängert wird, dass auch der Seewinkel eine Ganzjahresurlaubsregion wird«, so Landeshauptmann Niessl.