Kein Unternehmen, seien die Produkt und/oder Servicepaletten noch so innovativ, ist erfolgreich ohne seine Mitarbeiter. Diese tragen jedoch nur dann maßgeblich zum Erfolg bei, wenn sie adäquat ausgebildet sind. Vor allem in der Reisebranche wird seit Langem immer wieder diskutiert was der Terminus „qualifiziert“ wirklich bedeutet und ob die Reisebranche akademisch ausgebildete Fachkräftetatsächlich benötigt. Es gab Zeiten, da war das einzig wichtige Dokument, um einen Job auf diesem Gebiet zu finden, ein gültiger Reisepass. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Tourismusbranche allerdings rapide weiterentwickelt und Tourismusprodukte und Angebote haben sich zu komplexen Dienstleistungen entwickelt. Aufgrund dieses Trends stieg die Nachfrage nach akademisch ausgebildetem Personal und akademische Abschlüsse sind heute fast schon eine Voraussetzung. Dennoch äußert die Branche die Kritik, dass die Universitäten Studenten nicht wirklich für Jobs im Tourismus vorbereiten. Studien haben gezeigt, dass nur ca. 12% der Absolventen einer Tourismusschule auch wirklich einen Job in der Reisebranche antreten. Häufig wird das Fehlen von praktischer Erfahrung der Akademiker bemängelt. Befürworter der akademischen Ausbildungen sehen allerdings die analytischen, kreativen und auch kritischen Denkansätze, zu denen Universitätsabsolventen ihrer Meinung nach eher in der Lage sind, als großen Vorteil. Gerade diese Fähigkeiten werden in einer Branche gebraucht, die sich vor allem durch eines bemerkbar macht – ständigen Wandel. Obwohl es diesbezüglich noch keine Einigung gibt, zeigt sich sehr wohl eine Änderung im Aufbau der Studiengänge.Universitäre Einrichtungen beziehen immer mehr Betriebe aus der Wirtschaft in ihre Studienangebote mit ein und verpflichten ihre Studenten zu mehrmonatigen Praktika in der Wirtschaft, um fehlende praktische Erfahrung auszugleichen. Vor allem in Deutschland und Österreich spiegelt sich diese Entwicklung durch die Einführung von Fachhochschulen, wie beispielsweise der Internationalen Fachhochschule Bad Honnef in Deutschland und dem Management Center Innsbruck (MCI) oder der FH Joanneum Bad Gleichenberg in Österreich, wider, alle Institutionen, die sehr eng mit der Wirtschaft zusammenarbeiten.
Gesundheitstourismus als Wachstumsmarkt
Ein weiterer Trend, der sich über die letzten Jahre im Tourismus abzeichnet, ist der Gesundheitstourismus. Gesundheit und Wohlbefinden gewinnen in der heutigen Gesellschaft, nicht zuletzt auch wegen des demografischen Wandels, immer mehr an Bedeutung, was auch in der Reisemotivation deutlich zum Ausdruck kommt. Nicht zuletzt aus diesen Gründen wird der Gesundheitstourismus als einer der stark wachsenden Märkte der Zukunft gesehen. Folge davon war eine Explosion von Wellnessbetrieben, die mit Gesundheitsurlauben werben. Gerade bei einer solchen Flut von Angeboten ist es für die Betriebe schwierig, sich zu positionieren, und für den Konsumenten problematisch bis unmöglich, eine Entscheidung für oder gegen ein Hotel, respektive eine Destination zu treffen. Vor allem in diesem Bereich gewinnen qualifizierte, interdisziplinär ausgebildete Fachkräfte stetig an Bedeutung. Qualifizierte Mitarbeiter inkludiert im Terminus jedoch nicht nur den Arzt oder Therapeuten, deren Aufgabe es schon längst nicht mehr ist, einfach nur Rezepte auszustellen oder fachgerechte Behandlungen durchzuführen, sondern meint auch Hotelbesitzer, Destinationsmanager sowie jegliches Personal, das mit potenziellen Kunden im Gesundheitstourismus in Kontakt kommt. Letztere haben das Potenzial, durch ihre Kompetenz den Entscheidungsprozess der Gäste maßgeblich zu beeinflussen. Angestellte im Gesundheitstourismus benötigenzusätzliche Kompetenzen in der Tourismusbranche. Akademische Ausbildungen im Gesundheitstourismus, die in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entwickelt werden, haben das Potenzial, eine Aufwertung der in diesem Bereich angebotenen Dienstleistungen zu erbringen und damit einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen und auch Destinationen zu liefern. Ein weiterer Aspekt, der für die akademische Ausbildung in diesem Bereich spricht und sich weniger auf die direkten Serviceanbieter im Hotel oder der Destination bezieht, ist die Sicherstellung von Evidenz-basierten Gesundheitsprodukten, d.h. von Angeboten, die aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht auch wirklich nachweislich einen gesundheitlichen Benefit mit sich bringen.Die Private Universität für Gesundheitswissenschaften, medizinische Informatik und Technik (UMIT) in Hall in Tirol beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema Gesundheitstourismus und mit Angebotsentwicklungen, die wissenschaftlich gesehen einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Gäste haben. Dank der topografischen Lage bietet sich Tirol für gesundheitsorientierte Urlaube in mittlerer Höhe (1500 m bis 2500 m) geradezu an. Dass diese Aufenthalte bei richtiger Durchführung und kompetenter Betreuung nachweisbar positive Effekte für den Gast mit sich bringen, haben die Austrian Moderate Altitude Studies (AMAS), die unter der Leitung von Prof. Schobersberger und Prof. Humpeler vor mehr als 15 Jahren gestartet wurden, eindrucksvoll bewiesen. Diese Studien haben jedoch auch aufgezeigt, dass eine der entscheidenden Voraussetzungen für den Gesamterfolg ein individuelles Coaching der Gäste ist.
Akademisch geschultes Personal als Wettbewerbsvorteil
Obige Ausführungen zeigen sehr wohl einen Bedarf an akademischer Ausbildung im Gesundheitstourismus auf–aber sehen das die Experten der Branche genauso? Wie steht es mit der Bereitschaft, in solche Ausbildungen zu investieren? Zudem stellt sich die Frage, ob es de facto einen diesbezüglichen Angebotsmarkt gibt? Eine Studie, die sich genau mit diesen Fragen beschäftigt hat, wurde erst kürzlich an der UMIT am Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG) in Kooperation mit dem MCI durchgeführt und hat zu überraschenden Ergebnissen geführt.
Die Studie richtete sich mit einem Online-Fragebogen an Experten,die in Gesundheitsdestinationenim deutschsprachigen Alpenraum (Österreich, Deutschland und der Schweiz) tätig sind (n=17).Gerade der deutschsprachige Alpenraum bietet aufgrund seiner topografischen Lage beste Voraussetzungen für gesundheitstouristische Angebote und offeriert bereits eine große Breite an verschiedensten Angeboten. Qualifizierte Mitarbeiter sind vor allem auch als Positionierungsvorteil in diesem stark von Wettbewerb geprägten gesundheitstouristischen Markt von Vorteil. Fast alle Expertenbekleideten eine führende Position und knapp 80% besitzen einen akademischen Abschluss, jedoch nur ein Expertehatte einen solchen im Bereich Gesundheitstourismus. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, dass akademische Ausbildungen im Gesundheitstourismus wichtig sind. Jedoch sahen weniger als die Hälfte einen Bedarf an Mitarbeitern im Betrieb mit solchen Ausbildungen und nur zwei Personen haben tatsächlichAngestellte, die eine solche Ausbildung absolvierten. Interessanterweise gab mehr als ein Drittel an, dass die Kompetenzen der Mitarbeiter mit akademischem Abschluss im Gesundheitstourismus besser seien als jene ohne akademischen Abschluss. Fast die Hälfte aller Befragten zeigte ein Interesse an Universitätsabschlüssen im Bereich Gesundheitstourismus und drei Viertel von ihnen wären auch bereit, finanziell in solche Ausbildungen zu investieren,die meisten allerdings nicht mehr als 1000 Euro pro Semester. Die Hauptgründe, die gegen eine solche Weiterbildung sprachen, waren Zeitmangel und das fehlende Wissen über Einrichtungen, die dieses Studium anbieten. Nur knapp 6% gaben an, dass eine solche Ausbildung keine Bereicherung für die Ausübung in der Praxis biete. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu der Kritik, Universitäten würden die Studenten nur ungenügend auf die Praxis vorbereiten. Fast 80% der Befragten kannten keine Hochschule, die Ausbildungen im Bereich Gesundheitstourismus anbietet (Abbildung), obwohl es in Österreich und Deutschland durchaus einen derartigen Markt gibt (u.a. Joanneum Graz und Bad Gleichenberg, Donau-Universität Krems, Baltic College Schwerin, Apollon Universität, HFWU Nürtingen-Geislingen). Diese Hochschulen sind jedoch fast alle in privater Hand und verlangen dementsprechende Studiengebühren, die dievon uns befragten Experten offensichtlich nicht bereit sind zu zahlen. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass im Bereich Gesundheitstourismus, im Gegensatz zur Diskussion im Tourismus allgemein, das Problem nicht darin liegt, dass das Angebot von Universitäten und der Bedarf der Branche nicht übereinstimmen. Vielmehr liegt es darin, dass die Universitäten ihre touristischen Zielgruppen anscheinend nicht erreichen können und seitens der Zielgruppe keine Bereitschaft besteht, die finanziellen und zeitlichen Mittel, die verlangt werden, aufzubringen. Die Tatsache, dass der Gesundheitstourismus ein wachsender Markt und qualifizierteMitarbeiter Mangelware sind, sollte die Branche und die universitären Einrichtungen dazu motivieren,ein gemeinsames Ausbildungskonzept zu entwickeln. Das Ziel sollte sein, ein Umfeld für erfolgreichen Gesundheitstourismus zu schaffen, welcher auf Qualität und nicht auf Quantität beruht. Letztendlich beschäftigt sich doch dieser Teil des Tourismus mit einem der höchsten Güter der Menschen – der Gesundheit.
© WELLNESS WORLD Business 01/2013