Speziell in den Bereichen Gesundheitserziehung, Vorsorgemedizin und Behandlung chronischer Erkrankungen sind zusätzlich zur konventionellen Medizin komplementärmedizinische Verfahren wesentlich. Sie erweitern und vervollständigen das medizinische Weltbild und stellen den Patienten in seiner menschlichen Identität in den Mittelpunkt; sie sind kosteneffizient und mit geringen bzw. keinen negativen Nebenwirkungen behaftet. Unterstützend dazu hat der Wellnessbereich eine wichtige Funktion zu erfüllen, speziell auf den Gebieten „gesunder Lebensstil“ und „Befindlichkeitsstörungen". Laut einer Studie der Karmasin.Motivforschung Ges.m.b.H. (Okt. 2011) bewerteten zwei Drittel der befragten Österreicherinnen und Österreicher Komplementärmedizin positiv. 81 Prozent meinten, dass es sinnvoll wäre, traditionelle, konventionelle Medizin und komplementärmedizinische Methoden gemeinsam anzuwenden. Ganzheitsmedizin ist die Medizin der Zukunft und Ayurveda spielt dabei, sowohl im medizinischen als auch im Wellnessbereich, eine wichtige Rolle – allerdings nur dann, wenn auf die Ausbildungs- und Behandlungsqualität mehr Aufmerksamkeit gelenkt wird.
1. Grundlagen
Vedische Medizin zählt zu den ältesten Gesundheitssystemen der Welt; sie hat ihren Ursprung in Indien, dem Land des Veda. „Veda“ heißt „Wissen“; es ist die Weisheit der Natur, die dem Leben innewohnt und das gesamte Universum „verwaltet“. Es handelt sich daher bei diesem jahrtausendealten Medizinsystem nicht ausschließlich um medizinisches Wissen in einem für uns im Westen gewohnten Sinne (Arzt therapiert Patient). Vielmehr geht es darum, mittels bestimmter „Werkzeuge“ (allen voran Yoga und Meditation) die in jedem Menschen vorhandene Weisheit zu wecken. Veda – diese Intelligenz der Natur ist auf der transzendenten Ebene des Organismus gespeichert und kann von dort aus aktiviert werden. Daher ist einer der ayurvedischen Begriffe für Gesundheit „Swastha“, das heißt „gegründet im Selbst“. Der Organismus wird als gesund bezeichnet, wenn die Verbindung zu dieser inneren Intelligenz auf der transzendenten Ebene unseres Bewusstseins lebendig ist, d. h. der Mensch im Selbst gegründet ist.
2. Schulen der Ayurveda-Medizin
Es werden verschiedene Ansätze, Richtungen und Schulen der Ayurveda-Medizin unterschieden:
2.1) Wellness-Ayurveda: beschränkt sich i. A. auf „Ölmassagen“ und „Ölanwendungen“, wie z. B. „Stirnguss“, Duftöle, Blütenbäder etc. Üblicherweise wird Wellness-Ayurveda in den Wellnessabteilungen verschiedener Hotels und in „Massageinstituten“ angeboten. Seit einigen Jahren gibt es in Österreich einen Gewerbeschein für Ayurveda-Wohlfühlpraktiker.
2.2) Ayurveda innerhalb von Familientraditionen: Seit Jahrtausenden wird das Erfahrungswissen dieser Heilkunde in Indien innerhalb von Familien weitergegeben. Dadurch entsteht eine große Vielfalt an Experten bestimmter Therapieformen und spezieller Heilkräuterrezepturen.
2.3) Universitäres Ayurveda: Ayurvedische Medizin wird in Indien parallel zu westlicher Medizin an universitären Lehr- und Forschungseinrichtungen gelehrt (akademischer Abschluss mit Master- oder Doktor-Diplom).
2.4) Maharishi Ayur-Veda: Wesentliche Teile des Ayurveda gingen im Laufe der Jahrtausende verloren. Der vedische Gelehrte Maharishi Mahesh Yogi hat in Zusammenarbeit mit führenden indischen Ayurveda-Ärzten, westlichen Medizinern und Naturwissenschaftlern dieses Gesundheitssystem in der klassischen und gleichzeitig modernen, ganzheitlichen Form der Maharishi Vedischen Medizin und des Maharishi Ayur-Veda wiederbelebt.
Maharishi Ayur-Veda ist bewusstseinsbasierte Medizin:
„Ayurveda“ ist „Veda“ von „Ayu“ – das „Wissen vom Leben“. Veda sind die Grundstrukturen der inneren Intelligenz des Organismus, der grundlegenden, transzendenten Bewusstseinsebene. Jeder ayurvedische Diagnose- und Therapieansatz hat seinen Ursprung im Veda, im Grundzustand des Bewusstseins – oder im „Atma“, dem Selbst. Ein ayurvedisches Lehrsystem, das kein vollständiges theoretisches Wissen über den Veda vermittelt und das keine Möglichkeit bietet, diese transzendente Ebene zu erfahren und zu beleben, bleibt oberflächlich und fragmentiert – es ist nicht „Ayur-Veda“.
3. Definition einiger Grundbegriffe
A) Konstitutionslehre
Jeder Lebensprozess beinhaltet „Bewegung“, „Umwandlung“ und „Stabilität“. Wenn diese drei grundlegenden Parameter im Gleichgewicht sind (drei Doshas), ist eine wesentliche Voraussetzung für Gesundheit erfüllt.
In der Ayurveda-Medizin werden sie als „Vata“ (Bewegung), „Pitta“ (Transformation) und „Kapha“ (Stabilität) bezeichnet.
* Vata ist verantwortlich für Muskelbewegung, Stofftransport, Informationsweiterleitung und Informationsverarbeitung im Nervensystem und für das Fließen von Gedanken.
* Pitta steuert die Umwandlungsprozesse im Organismus, d. h. die Verdauung mit der dabei entstehenden Wärme und Energie, sowie die Emotionen.
* Kapha steht für Stabilität, Formgebung, Zusammenhalt, Schleimbildung, Stärke, Ausdauer und für die Qualität des Immunsystems.
Aus der individuellen Kombination der drei Doshas leitet die Ayurveda-Medizin ihre Konstitutionslehre ab:
a) Prakriti – die Geburtskonstitution (die bei der Geburt vorhandene individuelle Mischung von Vata, Pitta und Kapha in der Physiologie);
b) Vikriti – das derzeitige Ungleichgewicht;
c) Dehaprakriti -– dauerhaftes Ungleichgewicht, das als Konstitution erscheint.
Das Ziel der Ayurveda-Medizin ist die Wiederherstellung der Geburtskonstitution, Prakritisthapan.
Eigenschaften einer Vata-dominanten Konstitution:
- geringes Gewicht, leichter Körperbau,
- Begeisterungsfähigkeit,
- führt Aktivitäten schnell aus,
- Neigung zu trockener Haut,
- Neigung zu Verstopfung,
- schnelle Auffassungsgabe und gutes Kurzzeitgedächtnis,
- Neigung zu Sorgen und Kummer,
- Neigung zu leichtem und unterbrochenem Schlaf.
Eigenschaften einer Pitta-dominanten Konstitution:
- mittelschwerer Körperbau,
- arbeitet sehr systematisch und organisiert,
- starker Hunger und gute Verdauung,
- kann Mahlzeiten schlecht ausfallen lassen,
- Kann Erlerntes systematisch wiedergeben – guter Redner,
- unternehmungslustiger Charakter,
- neigt zu Erregbarkeit, Ungeduld und Ärger,
- neigt zu rötlicher Hautfarbe, rötlichen Haaren, Sommersprossen und Muttermalen.
Eigenschaften einer Kapha-dominanten Konstitution:
- stabiler, schwerer Körperbau,
- große Stärke und Ausdauer,- führt Aktivitäten methodisch und langsam durch,'
- Neigung zu glatter und fetter Haut,
- geringes Hungergefühl und langsame Verdauungskraft,
- ruhige, beständige Persönlichkeit
- langsame Auffassungsgabe, gutes Langzeitgedächtnis,
- tiefer und langer Schlaf.
- Ist schwer aus der Ruhe zu bringen
(Dosha-Selbsttest mit Auswertung im Internet unter: www.ayurveda.at, Navigationsleiste rechts: „Ayurveda Gesundheitstipps“, Punkt: „Ihr Typ ist gefragt“.)
B) VERDAUUNG UND ERNÄHRUNG
Die Transformation, die Umwandlung im Sinne einer Aufspaltung bzw. Verfeinerung und eines anschließenden Aufbaus bzw. Zusammenfügens, ist der Grundprozess eines Verdauungsvorganges.
Die Nahrung wird laut Ayurveda von dem Verdauungsfeuer (Agni – Pitta – Transformationsprinzip) aufgespalten und in körpereigenes Gewebe (die sieben Dhatus) umgewandelt. Dabei entstehen neben diesen sieben Gewebearten die drei Ausscheidungsprodukte (die drei Malas: Stuhl, Harn und Schweiß).
Wenn die Transformationsprozesse im Organismus nicht vollständig ablaufen, entsteht „Unverdautes“ oder „Ama“ – Toxine, die sich an speziellen Schwachstellen ablagern.
Ama kann auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene entstehen durch:
- unverdaute Nahrung,
- unverdaute Sinneseindrücke,
- unverarbeitete Gefühle und/oder
- seelische Prozesse.
Bestehendes Ama wird in der Ayurveda-Medizin durch folgende Maßnahmen reduziert bzw. abgebaut:
- Diät (leichtverdauliche Nahrungsmittel, spezielle Gewürze, warme, frisch gekochte Speisen),
- Heilkräutermischungen zur Stärkung von Agni (Dipana) und Ausleitung von Ama (Pachana),
- Reinigungsbehandlungen (Panchakarma-Kuren),
- Technik der Transzendentalen Meditation zum Aufbau von Ojas und zum Abbau von Ama auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene.
Bei vollständiger Transformation produziert das Verdauungssystem als feinstes, subtilstes Stoffwechselprodukt Ojas, auch als die Stärke des Organismus definiert (Bala). Ojas wird am Übergangsbereich zwischen Bewusstsein und der Physiologie lokalisiert, d. h. eine „Seite der Medaille“ ist unmanifest, die andere manifest. Ojas ist ein Maß für die Aktivierung der inneren Intelligenz des Organismus – Veda. Ojas ist daher ein zentraler Parameter für den Gesundheitszustand und wird auch als ein Maß für die Selbstheilungskraft des Organismus bezeichnet. Das Ojas-Niveau kann am Puls gemessen werden.
Die Ernährung muss laut Ayurveda-Medizin angepasst sein an:
- die individuelle Konstitution (Prakriti),
- an das gegenwärtige Ungleichgewicht (Vikriti),
- an die Stärke von Agni (Verdauungskraft),
- an das Ausmaß der Ama-Belastung und
- an das Ojas-Niveau (Ungleichgewichte und bestehende Erkrankungen) sowie
- an Faktoren wie Tageszeit, Jahreszeit, Arbeitssituation, Alter, Stressbelastung etc.
4. Abschließende Bemerkungen
„Chinne mule naiva shakha na patram.“ (Vedische Literatur.)
„Es existieren keine Blätter und keine Zweige in der Abwesenheit der Wurzeln.
Solange die „Wurzeln“ des Lebens negiert werden, kann die „Oberfläche“ des Lebens niemals gesund sein. Jeder Mensch muss mit den Wurzeln des Lebens wiederverbunden sein – mit dem einheitlichen Feld aller Naturgesetze, dem transzendenten innersten Bewusstseinsfeld, dem eigenen Selbst (Atma). Dies ist der zentrale Beitrag der Maharishi Vedischen Medizin und der Schlüsselpunkt für ein modernes, ganzheitliches Gesundheitssystem.
Kontakt und Links Dr. med. Lothar Krenner, Arzt für Allgemeinmedizin Österreichische Ärzte-Gesellschaft für Ayurvedische Medizin - Maharishi Vedische Medizin Mitglied des Dachverbands Österreichischer Ärztinnen und Ärzte für GanzheitsmedizinPiaristengasse 1 A-1080 Wien Tel.: 01/513 43 52 Fax: 01/513 96 60 E-Mail: lothar.krenner@ayurveda.at Internet: www.ayurveda.at (Hauptseite) www.ayurveda.at/krenner (Ordination)www.ganzheitsmed.at (Dachverband Österreichischer Ärztinnen und Ärzte für Ganzheitsmedizin)
WELLNESS WORLD Business 02/2013