Der klassisch-traditionelle Kurbetrieb mit seiner auf die Zeit 300 v. Christus zurückgehenden Geschichte ist in die Jahre gekommen. Thermen, mehr denn je im Trend bei den unterschiedlichsten Zielgruppen, entwickeln sich weiter. Ihre Betreiber werden angehalten sein, den Wünschen und Bedürfnissen, Erwartungen und Vorstellungen der Klienten gerecht zu werden. Insbesondere müssen sie dabei vier Entwicklungen Rechnung tragen: Die künftigen Thermen müssen Wärme und Sinnlichkeit ausstrahlen, ökologisch wertvoll sein, sie müssen entsprechende Angebote im Bereich Antiaging und Detoxing im Programm haben und sie sollen exklusive Thermenwelten bieten können, also über Räume verfügen, die den individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Um diesen Trends begegnen zu können, ist es erforderlich, den Thermen der Zukunft ein entsprechendes architektonisches, technisches Konzept zu hinterlegen. Dieses muss individuell und unverwechselbar sein. Für Architekt DI Udo-Friedrich Schuster von skylinearchitekten wien hat die Architektur künftiger Thermenwelten auf die umgebende Bebauung, auf das natürliche Umfeld und auf die unterschiedlichen funktionellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse des Bauherrn einzugehen. Daraus ergibt sich, dass alle Projekte grundsätzlich unterschiedlich aussehen müssen, so Schuster.
Authentische Sprache der Architektur
Geht es um die Thermen der Zukunft, geht es in erster Linie um die Architektur. Stefan Rappold von Behnisch Architekten setzt sich intensiv mit der Thermenarchitektur auseinander. Für ihn muss die Architektur entsprechend angemessen und auf die Situation des Ortes abgestimmt sein. „Thermen“, so der Architekt, „können unterschiedliche Ausrichtungen und Schwerpunkte haben, doch diese sollen sich dann in der Architektursprache wiederfinden.“ Die einzelnen Funktionsbereiche sind optimal anzuordnen, die dazwischen liegenden Zonen dürfen nicht als Restfläche verstanden, sondern müssen vielmehr in das Gesamtraumkonzept als stärkendes Element eingebunden werden. Die Auswahl der Materialien wird während des Planungsprozesses getroffen, nämlich dann, wenn klar ist, welchen Charakter das neue Gebäude erhalten soll. „Zwischen dem architektonischen Gesamtkonzept, dem Ausbau und den Materialien soll es ein Zusammenspiel geben“, so Rappold. Geht es um die Wahl der Materialien, so setzt Gernot Deutsch, Geschäftsführer der Heiltherme Bad Waltersdorf, auf Holz, „weil es ein landestypisches Baumaterial ist, das heißt, Natur pur, die man sehen und fühlen kann. In Verbindung mit Glas hat man eine Materialkombination gewählt, die auch in hygienischer Hinsicht als top einzustufen ist. Die Möbel müssen gemütlich sein und ebenso auf die Bedürfnisse der Zielgruppen abgestimmt werden.
Den Räumen Themen geben
Bei der Schaffung von Räumen geht der Trend eindeutig hin zu kleineren Räumlichkeiten, die unterschiedlichen Themen gewidmet werden. Es muss mehrere Ruheräume geben, mehrere Saunen, Dampfbäder oder Schwimmbecken. Kommunikationsmöglichkeiten, für das persönliche Gespräch ebenso wie für dieInternetkommunikation, sind zu schaffen. Die Restaurants weisen unterschiedliche Gewichtungen auf und auch für Gruppenveranstaltungen wie Mediationen oder Fitnesseinheiten sind die passenden Räume anzubieten. Was die Ruhezonen betrifft, so vertritt Deutsch klar die Linie, dass jene Räume die ruhigsten sein sollen, die am weitesten entfernt vom Zentrum des Hauses liegen. Für Stefan Rappold spielen die Raumkompositionen und die Raumsituationen intelligent zusammen und haben vor allem auch dafür zu sorgen, dass sowohl am Tag als auch in der Nacht anspruchsvolle Lichtstimmungen erzeugt werden. Die Innenraumgestaltung beeinflusst unmittelbar das Wohlbefinden des Gastes und ist somit entscheidend für den langfristigen Betriebserfolg.
Authentische Sprache der Architektur
In technischer Hinsicht ist die Energieeffizienz der zentrale Parameter, geht es um die Definition von zukunftsträchtigen Thermenressorts. Architekt Schuster: „Ressourcen- und umweltschonende Heiz-, Kühl- und Wasseraufbereitungsanlagen verfügen über einen hohen Wirkungsgrad bei der Wärmerückgewinnung aus der Lüftung, Außenwasserflächen sind vor Wind zu schützen und abzudecken, um Energie zu sparen. Energieverbrauch und somit die Betriebskosten sind zu minimieren. Daher ist es nötig, die Architektur mit der Bauphysik und Haustechnikplanung entsprechend abzustimmen. Heißes Thermalwasser ist jederzeit und in großen Mengen zur Verfügung zu stellen.“ Maik Heydrich von der Firma Glen Dimplex spricht sich für ein Betreiben der Therme zu 100 Prozent frei von fossilen Energieträgern aus. Hierzu steht heute eine Vielzahl von Lösungen aus den Bereichen Solar, Kraft-Wärme-Kopplung, Wärmepumpen und Fotovoltaik zur Verfügung. Ähnlich sieht es auch Thermengeschäftsführer Deutsch: „Ein schlechtes Energiekonzept kann die Wirtschaftlichkeit einer Therme komplett zum Einsturz bringen. Energiekonzepte müssen daher nachhaltig und alternativ sein – bis hin zur Nutzung des Regenwassers.“ Das Ziel, Energie zu sparen, und das Ziel, dem Gast größtmöglichen Komfort zu bieten, sind miteinander in Einklang zu bringen. Beim Bau eines zukunftsweisenden Thermenressorts kommt es demnach darauf an, der Architektur, der Wahl der Baustoffe, einer barrierefreien Bauweise sowie der Schaffung von individuellen Räumen und der Integration des Baukörpers in das Landschaftsbild Augenmerk zu schenken. Dabei werden sparsame Energiekonzepte die Architektur künftiger Thermen in besonderem Maße beeinflussen. Für den Praktiker Deutsch ist es überdies klar, dass in der Therme der Zukunft auch der Mitarbeiter eine zentrale Rolle spielen wird: „Der Gast kommt letztlich nicht wegen der Architektur oder der Raumgestaltung, sondern er kommt, weil er individuell von bestens ausgebildeten Mitarbeitern seinen Ansprüchen entsprechend betreut wird.“
Abwechslungsreiches Angebot schaffen.
Die Räume einer zeitgemäßen Therme hängen von der Zielgruppe ab. Besonders wichtig ist die Zonierung und räumliche Trennung von unterschiedlichen Zielgruppen, wie beispielsweise Kindern und der ruhesuchenden 50+-Generation. Für alle gemeinsam benötigt man jedoch ein abwechslungsreiches Angebot, bestehend aus Ruhebereichen und Aktivzonen, Kulinarik und Shopping, Massage, Kosmetik, Beauty und Fitness. Das Innendesign muss anspruchsvoll sein, für beste Funktionalität und Haltbarkeit sorgen und die hygienische Reinigung allzeit ermöglichen. Sämtliche Materialien müssen widerstandsfähig gegen Thermalwasser sein. Bei den Böden ist die Rutschfestigkeit von höchster Bedeutung.
Wärme rückgewinnen
Ein zukunftsweisendes und innovatives Energiekonzept im Thermenressort bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung. Energieerzeugung und Energieverbräuche sind als Energiekreislauf zu bewerten. Mit den geeigneten Wärmerückgewinnungsmaßnahmen lässt sich der Energieeinsatz für Heizung und Warmwassererzeugung erheblich reduzieren. Insbesondere Abwasser- und Abluftmengen bieten ein sehr hohes Wärmerückgewinnungspotenzial, welches sich mit technisch ausgereiften Maßnahmen erschließen lässt.
Wissen, wohin die Reise geht
Geht es um die Therme der Zukunft, so spielt die Architektur eine bedeutende Rolle. Das Konzept für die Therme muss von Anfang an feststehen. Leider erleben wir in der letzten Zeit oft die umgekehrte Herangehensweise. Zuerst wird ein Gebäude gebaut, dann der Betreiber gesucht und dann das Konzept festgelegt. Dabei kommen künstliche Komplexe heraus, oft nichtssagende Hülsen. Es ist wie beim Autofahren: Bevor man wegfährt, soll man wissen, wohin die Reise geht.
Einzigartigkeit erzielen
Zukunftsorientierte Thermenressorts könnten ein besonderes Badeerlebnis für die ganze Familie sein. Einerseits könnten es Wellnessoasen für Ruhesuchende sein, andererseits müssen sie auch den Bedürfnissen der aktiven Gäste gerecht werden. Oft werden Thermen jedoch als reine Spaßbäder verstanden. Die Herausforderung für den Architekten liegt nun darin, ein Gebäude zu entwickeln, welches beide Funktionsanforderungen in einem angemessenen Maß berücksichtigt und dadurch seine Einzigartigkeit erhält.
© WELLNESS WORLD Business 01/2013